Über den Europäischen Paddelpass (EPP) wurde an anderer Stelle schon einiges geschrieben und diskutiert. Nachdem wir in den letzten Jahren schon das eine oder andere Mal auf eigene Faust auf Ostsee und dänischer Südsee und in erfahrener Begleitung auf der Nordsee unterwegs waren, war in diesem Jahr Ziel, unsere Kenntnisse und Fähigkeiten in Theorie und Praxis zu vertiefen. Der EPP 3 schien uns dazu als geeignet und wurde von erfahrenen Vereinskollegen wärmstens empfohlen. Angeboten werden die drei Kursbestandteile (Theorie, Brandungstraining & Einweisungsfahrt) von DKV-Küstenreferent Udo Beier. Udo ist ein Unikat, Erfinder der brechenden Schwimmbadwelle und von Freya Hoffmeister. Er hat schon einiges erlebt und erpaddelt – und teilt dieses Wissen gern.
Nach dem lehrreichen, aber trockenen Theorieworkshop und vor dem kältebedingt auf später im Jahr verschobenen Brandungspaddeln sollte unsere Einweisungsfahrt in die Nordseegewässer rund um Spiekeroog gehen. „Einweisungsfahrt“ klingt arg dröge, ist aber eine schöne Gepäcktour, bei der reihum alle Teilnehmer mal die Gelegenheit bekommen, Udo ein paar Tonnen zu zeigen, Kurse zu bestimmen und weibliche Austernfischer am Klang des Flügelschlags von männlichen Eiderenten zu unterscheiden. Wir jedenfalls starten, wie wir es im Rahmen der zuvor angefertigten Hausaufgaben berechnet hatten, mit dem Hochwasser in Neuharlingersiel. Mit uns haben sich weitere gut hundert Seekajaks zum Himmelfahrtstreffen der Salzwasserunion auf Spiekeroog aufgemacht. Die Wetterprognosen sind nicht wirklich ideal: recht frisch und ziemlich starker Wind aus Südwest. Nachdem die Nasen kurz über den Deich gehalten wurden, ergab die allgemeine Stimmung, dass wir von der Umrundung von Spiekeroog heute noch absehen und uns direkt am Fahrwasser entlang nach Spiekeroog auf den Weg machen. Kurz vor Spiekeroog werden wir unerwarteterweise von der Fähre Langeoog II aufs Korn genommen. Sie und ihren plötzlichen Kurs auf Langeoog hat dort niemand erwartet. Nach dem Schrecken und verschiedenen Schleppübungen gönnen wir uns im Hafen von Spiekeroog erstmal eine Pause. Um noch ein wenig zu paddeln, geht es anschließend noch nicht direkt zum Zeltplatz, sondern das Gatt nach Langeoog wird gequert und wir vertreten uns dort auf trocken gefallenen Sandbänken die Beine. Jetzt aber rüber zum Zeltplatz, vor dessen Dünen sich schon beeindruckend Kajak an Kajak reiht – knapp 150 sollen es bei einer inoffiziellen Erhebung sein. Bei keinem Testival bekommt man wohl mehr Vielfalt geboten.
Wegen der Windprognosen spricht alles für ein Standquartier auf Spiekeroog. So richtig traurig ist darüber niemand – nur aus dem geplanten Besuch von Baltrum wird daher wohl leider nichts. An Tag zwei wird erneut die Umrundung von Spiekeroog angepeilt. Es bleibt bei 5er-Wind aus Süd-West. Nicht eben ideal. Vor Spiekeroog West steht Brandung. Der Start der neunköpfigen Gruppe zieht sich daher ein wenig hin. Der ein oder andere wird bei den angesetzten Stützübungen immer wieder an Land gespült. Die Tour wird daher recht schnell abgesagt und in Brandungsübungen umgewidmet. Jetzt heißt es kanten, surfen, stützen und rollen. So werden aus der geplanten Umrundung nur knapp sechs Kilometer auf und ab – die aber ständig am Anschlag und zusätzlich mit der Gelegenheit, das Verhalten des eigenen (leeren) Bootes ausgiebig in der Brandung zu testen. Leider wirft mich der letzte Surf an Land in guter Tradition um. Die anschließende souveräne Rolle begeistert den Chef („Hallenbad Rolle rechts“) aber nachhaltig. Der Rest des Tages wird mit Landgang an Primär-, Sekundär- und Tertiärdünen vorbei ins idyllische Örtchen gefüllt, wo bei Kaffee und Kuchen ein kurzer Hausaufgaben-Check erfolgt.
Tag drei: zum dritten Mal wird die Umrundung von Spiekeroog angepeilt. Wir einigen uns darauf, dass die Prognose von Windfinder die richtige sein muss, da sie uns weniger Wind und Regen als die Alternativen bereithält. Mit auflaufendem Wasser paddeln wir über das Harlesieler Wattfahrwasser Richtung Hafen Harlesiel. Westlich vom Leitdamm erreichen wir einen kleinen Strand und waten durch kniehohen Schlick an Land. Standesgemäß gibt es zum Mittag reichlich Fisch geräuchert oder in Bierteig frittiert. Udo schrammt unterdessen knapp an Harlesiel-Verbot wegen wiederholter Beleidigung von Kundinnen des Fischstands vorbei.
Entlang des Harlesieler Leitdamms und des Fahrwassers steuern wir jetzt Wangerooge an, wo wir einen kurzen Zwischenstopp einlegen wollen. Die Strecke legen wir in Rekordzeit zurück, da uns Strömung und Surfwellen kräftig nach Nordwesten schieben. Unterwegs ziehen wir die Aufmerksamkeit von zwei Dutzend Seehunden auf uns, die rund um die Gruppe von Kajakern immer wieder einzeln oder in kleinen Gruppen auftauchen. Erwischt habe ich das fotoscheue Pack gleichwohl nicht richtig.
Von Wangerooge aus geht es jetzt auf die heutige Königsetappe: auf der Seeseite von Spiekeroog entlang. Wir paddeln gegen den Wind, der langsam auf West gedreht hat und immer noch gute fünf Windstärken hat. Teilweise geht unsere Geschwindigkeit auf kapp 2 km/h runter. Richtig garstig wird es, sobald der für vier Uhr angesagte Regen mit deutlicher Verspätung um 16:03 Uhr einsetzt. Die Regentropfen prasseln auf Wasser und vor allem ins Gesicht, was sowohl Sicht als auch Vorankommen deutlich erschwert. Als der Regen nach einer guten Stunde erst nachlässt und anschließend ganz aufhört, haben wir trotzdem schon eine gute Strecke zurückgelegt. Jetzt ergibt sich auch die Gelegenheit, immer mal wieder in die vereinzelten Brandungszonen zu paddeln und ein wenig zu surfen und spielen. Zum Ende hin zieht sich die Strecke dann allerdings, da die Robbenplate bereits deutlich trocken gefallen ist und umrundet werden muss. Teilweise ist die eigentliche Insel hinter dem hohen Watt nicht mehr zu erkennen. Als der Zeltplatz endlich in Sichtweite ist, wird – nicht unbedingt zur Freude aller Teilnehmer – noch ein kurzer Gang auf die Wattfäche eingelegt, die sich beeindruckend weit vor die Insel gelegt hat und nur durch kleine Rinnsale unterbrochen wird. Jetzt sind es nur noch ein paar hundert Meter bis zur Wattkante vorm Zeltplatz bis wir endlich wieder die Bootswagen auspacken und an Land rollern dürfen.
Für die Rückfahrt am Sonntag halten sich sowohl Windstärke wie auch Windrichtung. Da wir noch den Janssand umfahren wollen, halten wir zunächst auf Langeoog zu und damit in den Wind. Als wir den angesteuerten Prickenweg erreicht haben, werden wir dafür aber mit Rückenwind belohnt und können für gut fünf Kilometer immer wieder einen guten Surf genießen. Westlich vom Leitdamm beenden wir auf einem kleinen Strand unsere Tour.
Nachklapp: Udo hat die Tour im Kanu-Forum weiter erläutert.