Paddlen über lange Strecken

Dem ein oder anderen wird es aufgefallen sein: lange Strecken zu paddeln, bereitet mir zwischenzeitlich durchaus Spaß. Die Zeitschrift Adventure Kayak hat nun für ihre Webseite einen älteren Artikel ausgegraben, den ich ganz spannend finde. Weitpaddler Ray Fusco gibt darin einige konkrete Tipps, was man auf langen Paddeldistanzen beachten sollte. Seine Paradestrecke ist 113 km lang, die er in 14 Stunden bewältigt hat. Das gibt mir Gelegenheit, seine Hinweise mit meinen bisherigen Erfahrungen abzugleichen.

Energieverbrauch

Eigentlich einfache Feststellung, aber der Energieverbrauch durch das Paddeln und Nahrungsaufnahme müssen sich die Wage halten, um einen Hungerast zu vermeiden. Ray rechnet mit 100 kcal pro Seemeile (1,852 km) bei einer Geschwindigkeit von viereinhalb bis fünf Knoten (8,3 – 9,3 km/h). Das entspricht den 400 bis 500 kcal pro Stunde, die ich bisher zu Grunde gelegt habe, auch wenn meine Reisegeschwindigkeit üblicherweise ein wenig unter seinen Werten liegt. Für eine Strecke über 100 km empfiehlt er fünf proteinreiche Energieriegel, fünf Gels, zwei Sandwiches, einen Schokoriegel sowie frisches und getrocknetes Obst. Da ich auf Lebensmittel aus dem Reagenzglas gern verzichte (Analogkäse ist meine einzige Schwäche), habe ich bisher auf längeren Distanzen neben einem Berg von Bananen vor allem Müsli- und Schokoriegel an Bord gehabt und mich bemüht, zumindest einmal pro Stunde ein Teil davon zu essen. In einer kurzen Mittagspause sind Butterbrote für ein größeres Sättigungsgefühl meine erste Wahl.

Italien_717

Getränke

An Getränken empfiehlt Ray für eine Strecke um die 100 km mindestens sechs Liter an Flüssigkeit, bestehend aus drei Litern Wasser und drei Litern „energy drink“. Es gilt Elektrolyte wieder aufzufüllen. Ich bin bisher mit vier Litern bestens ausgekommen. Das mag je nach Wetter unterschiedlich sein, aber bisher habe ich eigentlich immer ordentlich wieder mitgebracht. Am Ende hat man während der Tour ja vor allem mit zwei Zielkonflikten zu kämpfen: genug Trinken ist die eine Seite der Medaille. Der Stoffwechsel nimmt aber auch während einer Paddeltour seinen Lauf und eine volle Blase paddelt nicht gern… Reines Wasser fand ich irgendwann zu dröge, sodass ich mich nach etwas mit mehr Geschmack umgeschaut habe, das auch noch ein wenig zum Elektrolythaushalt beiträgt und nicht zu süß ist. Gelandet bin ich zunächst bei naturtrübem Apfelsaft und einem guten Schuss Limettensaft, gemischt mit Wasser im Verhältnis 1:3. Zuletzt bin ich aber im Supermarkt auf eine neue Saftmischung aus Orange/Traube/Apfel/Limette gestoßen, das sich im gleichen Mischungsverhältnis zwischenzeitlich bewährt hat. Im Gegensatz zur Empfehlung von Ray transportiere ich die Getränke immer noch im CamelBak in der Rückentasche meiner Schwimmweste. Das erschwert zwar tatsächlich ein wenig die Rotation. Der Vorteil, ohne große Anstrengung während des Paddelns einen Schluck zu nehmen, wiegt das aber in meinen Augen auf.

Technik

Genau die Empfehlungen auf die Beinarbeit und den Catch zu achten, vergegenwärtige ich mir irgendwann auch wie ein Mantra. Dabei erinnere ich mich gern an die klare Ansage von Birgit Fischer, dass man beim sportlichen Paddeln eben nicht das Paddel einfach so durch’s Wasser ziehen, sondern ganz bewusst den Catch ausführen, den Druck auch spüren und dann das Paddel kraftvoll durchziehen soll. Das ganze sei ja kein Sonntagsausflug und soll eben auch anstrengen. Ebenfalls hilft mir dabei die Pulsuhr, die ich mittlerweile zumindest bei flotteren Runden trage. Mit Beinarbeit und Paddelschlägen, die was bringen, ist mein Puls nämlich automatisch mindestens auf 130. Irgendwas zwischen 140 und 150 ist mein Ziel. Sobald er unter 120 sinkt, weiß ich, dass ich es mir zu gemütlich mache und der Trott einsetzt. Dann heißt es mit ein paar bewusst kräftigen Schlägen in höherer Frequenz, den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen und wieder in den Flow zu kommen.

Sitzfleisch

Was Ray nicht erwähnt, in meinen Augen aber DEN begrenzenden Faktor für die Langstrecke darstellt, ist die Kondition des Gluteus Maximus. Während in letzter Zeit kaum mehr Arme oder Rumpf während des Paddelns spürbar ermüden oder ich später Muskelkater bekomme, kann ich schlicht irgendwann nicht mehr bequem sitzen. Über zehn Stunden im Boot zu sitzen ist dabei eine Trainingsfrage, aber auch eine Frage der Ausrüstung. Obwohl mein Sitz bereits eine leichte Polsterung hat, ist für mich eine weiteres dünnes Polster aus simpler „Baumarkt“-Isomatte unerlässlich, aber auch ausreichend.

Grönlandtechnik: Grundschlag

Das Grönlandpaddel ist ein ideales Werkzeug, wenn man lange Strecken ermüdungsarm paddeln möchte. Dafür ist jedoch ein effizienter Vorwärtsschlag erforderlich. Handhaltung, Führung des Paddels, Körperhaltung und Körperbewegung müssen aufeinander abgestimmt werden. Um besser zu verstehen, wie Körper, Paddel und Boot zusammenwirken, ist es hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, was beim Paddeln im Grundschlag eigentlich passiert.

„Am Stock ziehen“

Aus der Perspektive des Paddlers wirkt es, als würde er das Paddel vorn eintauchen, eineinhalb Meter gegen den Wasserdruck zurückziehen, das Paddel ausheben und dann von vorn beginnen. Das kann natürlich nicht richtig sein. In Wirklichkeit bewegt sich das das Paddel (bis auf ein wenig „Schlupf“) kaum. Das Paddel wird ungefähr eineinhalb Meter vor dem Paddler im Wasser „verankert“, dann zieht sich der Paddler mit dem Paddel“schlag“ heran. Taucht das Paddel eineinhalb Meter voraus auf der anderen Seite ein und zieht sich wieder heran.

Handhaltung

Zeigefinger und Daumen umgreifen den Schaft und die übrigen Finger das innere Ende des PaddelblattesGrönlandpaddel sind symmetrisch gebaut, der Schaft geht fließend in das Blatt über und auch weit außen am Blatt kann das Paddel noch problemlos gegriffen werden. Das Paddel kann daher je nach Vorliebe und Situation flexibel gegriffen werden. So ist es beispielsweise manchmal sinnvoll, das Paddel auf einer Seite weiter außen zu greifen als auf der anderen – z.B. bei Seitenwind. Im Normalfall wird das Paddel jedoch auch symmetrisch gegriffen, sodass beide Blätter die gleiche Kraft übertragen. Als Ausgangspunkt hat sich für viele Paddler bewährt, das Paddel im Grundschlag so zu greifen, dass auf beiden Seitenn Zeigefinger und Daumen den Schaft umgreifen und die übrigen Finger das innere Ende des Paddelblattes. Dadurch, dass die Hände näher zusammen liegen, verbleiben sie verglichen mit einem Euro-Paddel eher tief, was insbesondere auf längeren Strecken Kraft spart.

Paddelhaltung

Ebenso wie die Handhaltung kann die Paddelhaltung sehr flexibel gehandhabt werden. Ein Grönlandpaddel kann sehr vielseitig, von einer sehr flachen (horizontalen) bis zu einer sehr steilen (vertikalen) Technik gefahren werden. Das Vorurteil, ein Grönlandpaddel werde stets flach gepaddelt, stimmt also nicht.

Für eher gemütliche Touren wird das Paddel tatsächlich recht niedrig gehalten und flach gepaddel. Dadurch paddelt man sehr kräfteschonend. Hände und Paddel bleiben auf Höhe des Bauches und damit dicht über der Spritzdecke. Die Oberarme hängen locker und parallel zum Torso. Die Unterarme werden ungefähr im rechten Winkel zu den Oberarmen gehalten und bleiben während des gesamten Paddelzugs in angewinkelter Haltung. Die Arme werden vor und zurück geschwungen, ohne nach außen geführt zu werden. Diese flache Haltung bewährt sich ebenfalls bei raueren Bedingungen, da die höhere Stützwirkung dem Paddler mehr Sicherheit gibt.

Für flottere Touren hat sich eine Paddelhaltung von ca. 45 Grad bewährt – für noch schnellere Streckenabschnitte und Sprints eine noch deutlich steilere Paddelhaltung. Hier wird das Paddel notwendigerweise höher gehalten und die Arme nur noch ganz leicht angewinkelt. Sie sollen jedoch auch nicht komplett durchgestreckt werden. Das Paddel wird dadurch weiter vorn eingesetzt.

Angewinkelter Zug (canted stroke)

Grundsätzlich kann das Paddelblatt im rechten Winkel zur Wasseroberfläche eingetaucht werden (obere und untere Kante sind dann übereinander). Es empfiehlt sich allerdings das Paddel so anzuwinkeln, dass die obere Kante zum Boot hin-, die untere Kante vom Boot weg zeigt (“canted stroke”). Der Winkel kann sehr individuell ausfallen – ein guter Ausgangspunkt dürfte aber in waagerechter Paddelhaltung eine Drehung der oberen Blattkante um 30 Grad nach vorn sein.

Das Anwinkeln wird in Grönland als Fortgeschrittenentechnik gelehrt. Gerade, wenn man mit dem Grönlandpaddel anfangs das Gefühl hat, es flattere oder das Paddel lasse sich für die Kraftübertragung nicht gut genug im Wasser verankern, lohnt sich das Anwinkeln bzw. Unterschneiden. Der Widerstand beim Beginn des Paddelzugs ist deutlich spürbar, gibt Sicherheit und erhöht die Kraftübertragung. Manche Grönlandpaddler vergleichen das Anwinkeln des Paddels mit dem Wechsel vom Europaddel auf ein Wingpaddel.

Einsetzen

Im Gegensatz zum Euro- und Wingpaddel sollte das Grönlandpaddel nicht zu weit vorn eingetaucht werden. Sollte es beim Eintauchen platschen, wurde es vermutlich zu weit vorn eingetaucht. Die Stelle zum Einsetzen sollte sich aus der Körperrotation ergeben und nicht etwa durch Vorbeugen des Oberkörpers.

Luftverwirbelungen gilt es zu vermeiden. Macht das Paddel ein kratzendes Geräusch, das an Schaben durch Sand erinnert, geht neben der Effizienz auch die Lautlosigkeit verloren, die das Grönlandpaddel eigentlich auszeichnet. Man sollte das Paddel daher möglichst zügig mit einer schnellen Abwärtsbewegung eintauchen. Entweder schneidet man dabei mit dem Blattrand ins Wasser (nur die Blattseite wird im Ausgangspunkt mit Wasser benetzt) oder man bedinet sich der Wingpaddel-Technik „einen Lachs aufzuspießen“. Dabei wird das Paddel von der oberen Hand mit einer horizontalen Stoßbewegung ins Wasser gestochen (nur die Blattspitzewird im Ausgangspunkt mit Wasser benetzt). Insgesamt sollte darauf geachtet werden, dass die obere Hand die Balttführung und die Eintrauchbewegung kontrolliert, da der Paddler anderenfalls Gefahr läuft, dass seine Zughand beim Einsetzen schlampig agiert, weil sie schon in die Zugphase übergeht.

Zugphase

Um ordentlich Vortrieb zu erzeugen, ist eine gute Verankerung im Boot wichtig. Gerade, um die Kraft aus der Körperrotation umzusetzen, ist ein Gegendruck aus den Beinen wichtig. Bei einem Paddelschlag auf der rechten Seite heißt das: Mit dem rechten Fuß/Bein wird Druck auf die Fußraste ausgeübt. Der linke Fuß ist währenddessen entspannt. Für den bestmöglichen Gegendruck sollten die Füße möglichst zentral positioniert werden. In klassischen Grönland-Kajaks kann zusätzlich das linke Knie gegen das Deck gedrückt werden, um die Verankerung zu unterstüzen. Durch das aktive Einbeziehen der Beine wird so zusätzlich vermieden, dass sie während langer Strecken einschlafen oder verkrampfen.

Das Paddel wird entweder gerade nach hinten – parallel zum Kiel – geführt. Alternativ kann es auch ein wenig nach außen – entlang der Bugwelle – geführt werden. Die obere Hand übt Druck nach vorn und unten aus. Die untere Hand übt (leichteren) Zug aus. Schwerpunkt sollte auf der Druckbewegung liegen, die Zugbewegung wird erheblich durch die Körperrotation unterstützt und kann damit schwächer ausfallen. Es empfiehlt sich, die Druckhand zur Entspannung öfters zu öffnen. Allgemein dienen die Arme eher zur Führung und Positionierung des Paddels, während der Vortrieb maßgeblich aus der Körperrotation entsteht.

Körperrotation

Der größte Teil des Vortriebs wird nicht aus Drücken und Ziehen des Paddels erzielt, sondern aus der Drehung des Rumpfes. Verglichen mit der relativ kleinen Armmuskulatur kann man so auf viel größere und kräftige Muskelgruppen zurückgreifen. Durch die Nutzung von Rücken-, Brust-, Bein- und Bauchmuskulatur ergänzend zu den Armen kann vergleichsweise lang und ermüdungsfrei gepaddelt werden. Gerade mit dem Grönlandpaddel muss großes Augenmerk auf die Körperrotation gelegt werden. Schließlich sind die Hände deutlich enger beeinander als beim Europaddel. Eine schlechte Körperrotation kann daher nicht ohne Weiteres durch kraftvolle Armbewegungen kompensiert werden. Gerade zu Beginn empfiehlt es sich, diese Bewegung sehr bewusst auszuführen. Anschließender Muskelkater in der Bauchregion ist ein gutes Zeichen. Um möglichst viel Kraft aus der Rotation holen zu können, muss der Paddler möglichst aufrecht sitzen. Ziel ist es, dass sich tatsächlich der Hintern dreht. Von außen soll die Bewegung der Schwimmweste deutlich erkennbar sein.

Exit

Ein Grönlandpaddel erzeugt auch noch dort Vortrieb, wo das Europaddel schon nichts mehr bewirkt. Das Paddel wird daher weiter hinten wieder ausgehoben – nämlich dann, wenn die führende Hand (nicht das Paddel) ungefähr auf Hüfthöhe sind. Wie man das Paddel aushebt ist eine Frage der Gewöhnung und Vorliebe. Entweder hebt man das Paddel langsam unter Nutzung des eigenen Auftriebs und schneidet es mit der Kante durch die Wasseroberfläche. Es ist jedoch auch verbreitet, das Paddel gegen den (deutlich zu spürenden) Widerstand des Wassers senkrecht herauszuheben. Neben einer kleinen Fontäne erzeugt auch das nochmals leichten Vortrieb, der sich auf lange Distanzen multiplizieren und damit rechnen kann.

Frequenz

Auch die Frequenz kann einigermaßen individuell gehandhabt und der Situation angepasst werden. Ziel sollte jedoch stets sein, eine flüssige Bewegung entstehen zu lassen. Für eher gemütliche Touren kann man sich an 60 Paddelschlägen pro Minute orientieren. Will man schneller paddeln, gilt es diese Frequenz zu erhöhen.

Ressourcen