Meine erste (knapp) 50km-Tour in Vorbereitung auf den diesjährigen Hiddenseemarathon ging letztens um den Müggelturm. Das war mal was Neues, gilt aber nicht. Eingesessen wird zum Griebnitzsee! Gestern war es soweit. Der Wecker vibrierte nochmal eine Stunde früher als sonst und kurz nach sechs ging es auf’s Wasser. Ein seltenes Wetterphänomen trug mich beschwingt in Richtung Wannsee: Rückenwind. Aber wer wäre ich, wenn ich mich nicht im nächsten Atemzug beklagte. Der Wind frischte natürlich im Tagesverlauf deutlich auf, sodass das bisschen Rückenwind den respektablen Gegenwind auf der Rücktour gen Norden nicht für fünf Pfennig ausglich. Nun rufe ich meinem gestrigen fluchenden Ich zu: dafür sind Trainingsrunden ja da. Und wenn der Grunewaldturm gefühlt keinen Millimeter näher kommt, überkommt einen doch ein wohliges Stralsund-Gefühl.
Schlagwort: Training
Intervalltraining beim Paddeln
Allgemein wird dem Intervalltraining durch die Mischung aus großer Anstrengung und geringerer Belastung eine deutlichere Steigerung von Kraft und Ausdauer als durch simple Dauerbelastung zugeschrieben. Das klingt für mich logisch, hat in der Vergangenheit ganz gut funktioniert und gestaltet das Training vor allem abwechslungsreicher – zumal, wenn man die Art der Intervalle ändert und mit Dauerbelastung kombiniert. Gleichzeitig sorgt dieser Wechsel dafür, das die Muskeln regelmäßig neue Anreize bekommen. Ein Intervalltraining kann man sowohl im Kajak als auch auf dem Ergometer absolvieren. Egal welche Intervallart gewählt wird, sollte ein Einpaddeln von 5 bis 10 Minuten den Kreislauf erst mal hochfahren.
Tabata
Wahre Wunder werden dem Tabata-Training zugeschrieben. „In nur 4 Minuten …“ Zur Zeit ist auch ein Tabata-Training mein Favorit auf dem Ergometer. Das Grundprinzip von Tabata ist 20 Sekunden hohe Belastung, 10 Sekunden Pause (oder mäßige Anstrengung) – 8 mal nacheinander ergibt das die 4 Minuten. In ein längeres Training bindet man das sinnvollerweise mit drei Durchgängen ein. Mit Einpaddeln und Auspaddeln sieht das bei mir auf dem Ergometer (ca. 45 Minuten) z.B. so aus: 10 Min mit mäßigem Tempo einpaddeln | Tabata-Set 1 | 6 Minuten entspannt paddeln | Tabata-Set 2 | 6 Minuten entspannt paddeln | Tabata-Set 3 | 7 – 10 Minuten entspannt auspaddeln.
Stufenintervalle / Leitern
Bei Stufenintervallen wird die Dauer der hohen Belastung nach und nach erhöht. Beispielsweise zunächst 1 Minute, gefolgt von 1 Minute mäßiger Anstrengung, dann 2 Minuten, gefolgt von 2 Minuten mäßiger Anstrengung, dann 3 Minuten, gefolgt von 3 Minuten mäßiger Anstrengung usw. Sobald ein Punkt erreicht ist, bei dem nicht mehr die komplette Zeit mit hoher Belastung durchgefahren werden kann, wird zurückgezählt: 3 Minuten Belastung, gefolgt von 3 Minuten mäßiger Anstrengung, 2 Minuten Belastung … Ein oder mehrere Stufenintervalle lassen sich ebenfalls in ein längeres Training integrieren.
Um die Intensität zu erhöhen kann die mäßige Anstrengung auch auf durchgängig 1 Minute gesenkt werden: 1 Minuten Anstrengung, 1 Minute mäßig, 2 Minuten Anstrengung, 1 Minute mäßig, 3 Minuten Anstrengung, 1 Minute mäßig …
Als Alternative zu Zeitintervallen können natürlich auch Streckenintervalle gefahren werden: 250 Meter, 500 Meter, 750 Meter, 500 Meter, 250 Meter o.ä. Ebenfalls möglich und leicht zu zählen sind Paddelschläge: 20, 40, 60, 80 …
Feste Intervalle
Ebenfalls möglich ist es, die Intervalle fest zu definieren also durch Abfolgen von bspw. 2 Minuten Anstrengung, 4 Minuten Erholung, 2 Minuten Anstrengung, 4 Minuten Erholung, 2 Minuten Anstrengung … Das Verhältnis von Anstrengung zu „Erholung“ kann dabei von Training zu Training zu Gunsten der Anstrengung verschoben werden.
Wer noch mehr Abwechslung und weitere Inspirationen benötigt, wird bei Concept2 fündig. Der Hersteller von Ruderergometern bietet auf seiner Homepage ein „Workout des Tages“ in drei verschiedenen Längen. Das gibt eigentlich eine ganz gute Vorstellung, was man noch probieren kann, auch wenn man die bei Ruderern übliche Angabe von Schlägen pro Minute übertragen muss (z.B. in eine angestrebte Geschwindigkeit, Pulsfrequenz oder subjektive Anstrengung). Die Vorschläge kann man sich auch per Newsletter schicken lassen.
Einsitzen am Griebnitzsee
Seit drei Jahren ist die Tour die Havel hinunter, um die Wannsee-Insel herum zum Griebnitzsee und über Glienicker Brücke und Pfaueninsel zurück nach Tegel fester Bestandteil meines Paddeljahres. Bietet sich die 57 km lange und landschaftlich herrliche Strecke doch prima als Leistungs-Check und Training für spätere Langstreckentouren an. Vor allem der Sitzmuskel darf sich zum ersten Mal im Jahr beweisen. In diesem Jahr habe ich den bisher wärmsten und noch dazu ziemlich windigen Tag erwischt.
Während mir die Sonne nun acht Stunden erbarmungslos auf die Mütze brennt, überlege ich, ob das Naturgesetz, dass der Wind Kajakfahrern unabhängig von Streckenführung und angesagter Windrichtung zu 80% entgegenbläst, schon einen Namensgeber hat. Warum Mandarinenten gelb-grüne Boote besonders gern haben. Und ob jemand meinen Bildband über die nudistisch veranlagten Bootsbesitzer vom Wannsee (Arbeitstitel: „Verbrannte Ärsche“) kaufen würde. Erkennbar eine gute Möglichkeit, den Kopf mal richtig frei zu bekommen.
Das testweise mitgenommene Wingpaddel wird nach 700 Metern wieder auf’s Deck geschnallt und den Rest der Tour durch die Gegend gefahren. Schuster, bleib bei deinem Leisten! Dafür bin ich bei dem ständigen Gepuste dankbar, mich heute für ein Boot mit Steuer entschieden zu haben – und Sitzanlagen kann Lettmann auch. Der Hintern dankt.
Paddlen über lange Strecken
Dem ein oder anderen wird es aufgefallen sein: lange Strecken zu paddeln, bereitet mir zwischenzeitlich durchaus Spaß. Die Zeitschrift Adventure Kayak hat nun für ihre Webseite einen älteren Artikel ausgegraben, den ich ganz spannend finde. Weitpaddler Ray Fusco gibt darin einige konkrete Tipps, was man auf langen Paddeldistanzen beachten sollte. Seine Paradestrecke ist 113 km lang, die er in 14 Stunden bewältigt hat. Das gibt mir Gelegenheit, seine Hinweise mit meinen bisherigen Erfahrungen abzugleichen.
Energieverbrauch
Eigentlich einfache Feststellung, aber der Energieverbrauch durch das Paddeln und Nahrungsaufnahme müssen sich die Wage halten, um einen Hungerast zu vermeiden. Ray rechnet mit 100 kcal pro Seemeile (1,852 km) bei einer Geschwindigkeit von viereinhalb bis fünf Knoten (8,3 – 9,3 km/h). Das entspricht den 400 bis 500 kcal pro Stunde, die ich bisher zu Grunde gelegt habe, auch wenn meine Reisegeschwindigkeit üblicherweise ein wenig unter seinen Werten liegt. Für eine Strecke über 100 km empfiehlt er fünf proteinreiche Energieriegel, fünf Gels, zwei Sandwiches, einen Schokoriegel sowie frisches und getrocknetes Obst. Da ich auf Lebensmittel aus dem Reagenzglas gern verzichte (Analogkäse ist meine einzige Schwäche), habe ich bisher auf längeren Distanzen neben einem Berg von Bananen vor allem Müsli- und Schokoriegel an Bord gehabt und mich bemüht, zumindest einmal pro Stunde ein Teil davon zu essen. In einer kurzen Mittagspause sind Butterbrote für ein größeres Sättigungsgefühl meine erste Wahl.
Getränke
An Getränken empfiehlt Ray für eine Strecke um die 100 km mindestens sechs Liter an Flüssigkeit, bestehend aus drei Litern Wasser und drei Litern „energy drink“. Es gilt Elektrolyte wieder aufzufüllen. Ich bin bisher mit vier Litern bestens ausgekommen. Das mag je nach Wetter unterschiedlich sein, aber bisher habe ich eigentlich immer ordentlich wieder mitgebracht. Am Ende hat man während der Tour ja vor allem mit zwei Zielkonflikten zu kämpfen: genug Trinken ist die eine Seite der Medaille. Der Stoffwechsel nimmt aber auch während einer Paddeltour seinen Lauf und eine volle Blase paddelt nicht gern… Reines Wasser fand ich irgendwann zu dröge, sodass ich mich nach etwas mit mehr Geschmack umgeschaut habe, das auch noch ein wenig zum Elektrolythaushalt beiträgt und nicht zu süß ist. Gelandet bin ich zunächst bei naturtrübem Apfelsaft und einem guten Schuss Limettensaft, gemischt mit Wasser im Verhältnis 1:3. Zuletzt bin ich aber im Supermarkt auf eine neue Saftmischung aus Orange/Traube/Apfel/Limette gestoßen, das sich im gleichen Mischungsverhältnis zwischenzeitlich bewährt hat. Im Gegensatz zur Empfehlung von Ray transportiere ich die Getränke immer noch im CamelBak in der Rückentasche meiner Schwimmweste. Das erschwert zwar tatsächlich ein wenig die Rotation. Der Vorteil, ohne große Anstrengung während des Paddelns einen Schluck zu nehmen, wiegt das aber in meinen Augen auf.
Technik
Genau die Empfehlungen auf die Beinarbeit und den Catch zu achten, vergegenwärtige ich mir irgendwann auch wie ein Mantra. Dabei erinnere ich mich gern an die klare Ansage von Birgit Fischer, dass man beim sportlichen Paddeln eben nicht das Paddel einfach so durch’s Wasser ziehen, sondern ganz bewusst den Catch ausführen, den Druck auch spüren und dann das Paddel kraftvoll durchziehen soll. Das ganze sei ja kein Sonntagsausflug und soll eben auch anstrengen. Ebenfalls hilft mir dabei die Pulsuhr, die ich mittlerweile zumindest bei flotteren Runden trage. Mit Beinarbeit und Paddelschlägen, die was bringen, ist mein Puls nämlich automatisch mindestens auf 130. Irgendwas zwischen 140 und 150 ist mein Ziel. Sobald er unter 120 sinkt, weiß ich, dass ich es mir zu gemütlich mache und der Trott einsetzt. Dann heißt es mit ein paar bewusst kräftigen Schlägen in höherer Frequenz, den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen und wieder in den Flow zu kommen.
Sitzfleisch
Was Ray nicht erwähnt, in meinen Augen aber DEN begrenzenden Faktor für die Langstrecke darstellt, ist die Kondition des Gluteus Maximus. Während in letzter Zeit kaum mehr Arme oder Rumpf während des Paddelns spürbar ermüden oder ich später Muskelkater bekomme, kann ich schlicht irgendwann nicht mehr bequem sitzen. Über zehn Stunden im Boot zu sitzen ist dabei eine Trainingsfrage, aber auch eine Frage der Ausrüstung. Obwohl mein Sitz bereits eine leichte Polsterung hat, ist für mich eine weiteres dünnes Polster aus simpler „Baumarkt“-Isomatte unerlässlich, aber auch ausreichend.