Grönlandtechnik: Die statische Stütze (Balance Brace)

Die statische Stütze ist eine schöne Übung, um Bootsgefühl vor allem für die kraftarme Beherrschung von Kajakrollen zu bekommen. Ziel ist, das Kajak beliebig lange am Kipppunkt zu halten, während der Auftrieb durch Oberkörper und Paddel erzeugt wird. Der Körper wirkt als Ausleger für das Boot und hält es aufrecht. Fortgeschrittene benötigen dafür auch kein Paddel – ein Norsaq oder nur der Oberkörper sind ebenfalls ausreichend.

In der Ausgangsposition wird für eine Balance Brace auf der rechten Seite das Paddel mittig mit der rechten Hand gehalten und parallel zum Kajak auf der rechten Seite gehalten. Der Oberkörper wird möglichst flach auf das Heck gelegt.

Während das rechte Bein jetzt aktiviert wird, um das Kajak im angekannteten Zustand zu halten, bleibt das linke Bein entspannt und kann sogar aus der Schenkelstütze genommen werden. Der Oberkörper gleitet nun nach hinten gebeugt ins Wasser. Die Schultern bleiben unbedingt parallel zur Wasseroberfläche. Sobald der Oberkörper flach auf der Wasseroberfläche treibt, kann er weiter ausgelegt werden, bis er etwa im rechten Winkel zum Kajak liegt.

Um wieder aufs Boot zu gelangen, wird der Oberkörper wieder zurückrotiert, während die Schultern flach bleiben und sanfter Druck auf das Paddel den nötigen Halt gibt.

Einige Tipps:

  • Häufig ist das Problem, dass die rechte Schulter versenkt wird. Hier hilft, die linke (!) Schulter bewusst tief einzutauchen – z.B. indem die linke Hand sich unter dem Boot festhält.
  • Der Kopf sollte nach hinten gestreckt werden, sodass zumindest die Augenbrauen im Wasser sind.

Um die statische Stütze zu üben und zu verbessern kann man folgendes versuchen:

  • Statt sich langsam in die Stütze gleiten zu lassen, kann man einfach probieren, sich aus der Bewegung in die Balance Brace fallen zu lassen.
  • Nach einer Kenterung einfach mal das Boot nicht mit der Rolle komplett aufrichten, sondern in der Balance Brace bleiben!
  • Man kann mit den verschiedenen Faktoren (Druck des Beins, Neigung des Oberkörpers, Neigung des Kopfes, Parallelität der Schultern) auch ein wenig experimentieren. Wenn man das langsam genug macht, sinkt der Kopf sehr langsam ab und kann mit der entsprechenden Gegenaktion auch wieder langsam an die Wasseroberfläche gebracht werden. Das bewusst zu probieren, vermittelt ein Gefühl vom Einfluss der verschiedenen Faktoren und schafft zudem die notwendige Ruhe.
  • Fortgeschrittene (nicht ich) können die Balance Brace auch mit einem Norsaq oder ganz ohne Hilfsmittel halten. Das gibt die Möglichkeit, direkt aus der Handrolle in die Balance Brace zu gehen – ein schönes Trainingsziel 😉

Lesenswerte Artikel:

Grönlandtechnik: Bugruder

Das Boot mit einem Bugruder zu drehen, funktioniert auch mit dem Grönlandpaddel. Dieser Steuerschlag ist effektiv, um das Kajak den Wind zu bewegen …und sieht ziemlich klasse aus. Je nach Vorliebe gibt es mehrere Varianten: das klassische Bugruder oder das gekreuzte Bugruder.

Klassisches Bugruder

Grönlandpaddel Bugruder bow rudderEingeleitet wird wird die Drehbewegung des Kajaks durch den Ansatz eines Heckruders auf der Seite, zu der gedreht werden soll oder durch einen kurzen Bogenschlag auf der gegenüberliegenden Seite. Beides sollte sich flüssig das Vorwärtspaddeln anschließen.

Das Kajak wird jetzt auf der Seite, zu der gedreht werden soll, aufgekanntet und das Paddel möglichst senkrecht eingesetzt. Der gegenüberliegende Fuß wird zur Unterstützung in die Fußraste gepresst. Die obere Hand sollte auf Kopfhöhe fixiert werden. Beide Handflächen zeigen in Fahrtrichtung. Während das Blatt anfangs noch parallel zur Fahrtrichtung eingetaucht ist, wird es jetzt so aufgedreht, dass die dem Paddler abgewandte Blattfläche im deutlichen Winkel zur Fahrtrichtung steht.

Gekreuztes Bugruder

Grönlandpaddel gekreuztes Bugruder Cross-bow rudderEingeleitet wird das gekreuzte Bugruder („cross-bow rudder“) wiederum von einem kurzen kräftigen Bogenschlag auf der gegenüberliegenden Seite. Das Blatt, das eben noch den Bogenschlag ausgeführt hat, wird nun über das Kajak gehoben. Nachdem es zunächst parallel zur Fahrtrichtung eingetaucht wird, wird es anschließend so aufgedreht, dass die Arbeitsseite senkrecht zur Fahrtrichtung gestellt wird.

Grönlandtechnik mit Greg Stamer

Die besten Texte zur Paddeltechnik mit dem Grönlandpaddel stammen von Greg Stamer. So war ich einigermaßen begeistert, dass Seakayaking Germany ihn für eine Workshopreihe in Flensburg gewinnen konnte. Mein Hauptinteresse galt der Technik mit dem Paddel – trotzdem ließ ich mich überzeugen, auch am Rollen-Workshop für Fortgeschrittene teilzunehmen. Und das hat sich definitiv gelohnt. Mir geht es aktuell weniger darum, irgendwelche neuen Arten von Rollen in verrückten Körperhaltungen und Paddelpositionen zu erlernen. Vielmehr will ich die Standardrollen, die ich schon beherrsche, festigen und weiter perfektionen. Greg hat schon mehrmals an den Greenland Kayaking Championships teilgenommen und in Grönland von Grönländern gelernt. So hat er einen guten Blick für Details und kann auch Hintergründe der einzelnen Rollen gut vermitteln. Einige seiner prägnanten Kommentare wie „der Teil ist nur für die Show“ oder „dafür würden sie Dir während der Championships Punkte abziehen“ haben definitiv geholfen, die Rollen eleganter aussehen zu lassen und gleichzeitig zusätzliche Sicherheitsaspekte zu integrieren.

Der für mich viel interessantere Teil waren aber die zwei folgenden Tage, in denen es mal nicht darum ging, was die meisten Paddler mit dem Grönlandpaddel machen – nämlich rollen. Vielmehr standen die Grundlagen der Fortbewegung, Manövrieren und Stützen auf dem Programm. Mein erklärtes Ziel, Hinweise für einen effizienteren Vorwärtsschlag zu bekommen und damit das Geschwindigkeitspotenzial zu steigern, haben sich voll erfüllt. Ich fahre nach Hause mit einer längeren Liste von Optimierungspotenzial und einem tieferen Verständnis für Bewegungsabläufe und Wirkungsweise des Paddels. Daraus ergeben sich viele Punkte, die ich bei Gelegenheit in meine Rubrik zur Grönlandtechik einarbeiten werde. Zusätzlich haben sich mir noch Sachen erschlossen, die ich vorher noch nicht wirklich probiert hatte, insbesondere verschiedene Formen von Bugrudern. Unter dem Strich: ein großartiges Wochenende mit vielen Aha-Effekten und einem großartigen Coach in sehr angenehmer Runde von Mitpaddlern.

Björn von liquidmedicine.de hat einen kleinen Film über den Rollenkurs gedreht.

Paddlen über lange Strecken

Dem ein oder anderen wird es aufgefallen sein: lange Strecken zu paddeln, bereitet mir zwischenzeitlich durchaus Spaß. Die Zeitschrift Adventure Kayak hat nun für ihre Webseite einen älteren Artikel ausgegraben, den ich ganz spannend finde. Weitpaddler Ray Fusco gibt darin einige konkrete Tipps, was man auf langen Paddeldistanzen beachten sollte. Seine Paradestrecke ist 113 km lang, die er in 14 Stunden bewältigt hat. Das gibt mir Gelegenheit, seine Hinweise mit meinen bisherigen Erfahrungen abzugleichen.

Energieverbrauch

Eigentlich einfache Feststellung, aber der Energieverbrauch durch das Paddeln und Nahrungsaufnahme müssen sich die Wage halten, um einen Hungerast zu vermeiden. Ray rechnet mit 100 kcal pro Seemeile (1,852 km) bei einer Geschwindigkeit von viereinhalb bis fünf Knoten (8,3 – 9,3 km/h). Das entspricht den 400 bis 500 kcal pro Stunde, die ich bisher zu Grunde gelegt habe, auch wenn meine Reisegeschwindigkeit üblicherweise ein wenig unter seinen Werten liegt. Für eine Strecke über 100 km empfiehlt er fünf proteinreiche Energieriegel, fünf Gels, zwei Sandwiches, einen Schokoriegel sowie frisches und getrocknetes Obst. Da ich auf Lebensmittel aus dem Reagenzglas gern verzichte (Analogkäse ist meine einzige Schwäche), habe ich bisher auf längeren Distanzen neben einem Berg von Bananen vor allem Müsli- und Schokoriegel an Bord gehabt und mich bemüht, zumindest einmal pro Stunde ein Teil davon zu essen. In einer kurzen Mittagspause sind Butterbrote für ein größeres Sättigungsgefühl meine erste Wahl.

Italien_717

Getränke

An Getränken empfiehlt Ray für eine Strecke um die 100 km mindestens sechs Liter an Flüssigkeit, bestehend aus drei Litern Wasser und drei Litern „energy drink“. Es gilt Elektrolyte wieder aufzufüllen. Ich bin bisher mit vier Litern bestens ausgekommen. Das mag je nach Wetter unterschiedlich sein, aber bisher habe ich eigentlich immer ordentlich wieder mitgebracht. Am Ende hat man während der Tour ja vor allem mit zwei Zielkonflikten zu kämpfen: genug Trinken ist die eine Seite der Medaille. Der Stoffwechsel nimmt aber auch während einer Paddeltour seinen Lauf und eine volle Blase paddelt nicht gern… Reines Wasser fand ich irgendwann zu dröge, sodass ich mich nach etwas mit mehr Geschmack umgeschaut habe, das auch noch ein wenig zum Elektrolythaushalt beiträgt und nicht zu süß ist. Gelandet bin ich zunächst bei naturtrübem Apfelsaft und einem guten Schuss Limettensaft, gemischt mit Wasser im Verhältnis 1:3. Zuletzt bin ich aber im Supermarkt auf eine neue Saftmischung aus Orange/Traube/Apfel/Limette gestoßen, das sich im gleichen Mischungsverhältnis zwischenzeitlich bewährt hat. Im Gegensatz zur Empfehlung von Ray transportiere ich die Getränke immer noch im CamelBak in der Rückentasche meiner Schwimmweste. Das erschwert zwar tatsächlich ein wenig die Rotation. Der Vorteil, ohne große Anstrengung während des Paddelns einen Schluck zu nehmen, wiegt das aber in meinen Augen auf.

Technik

Genau die Empfehlungen auf die Beinarbeit und den Catch zu achten, vergegenwärtige ich mir irgendwann auch wie ein Mantra. Dabei erinnere ich mich gern an die klare Ansage von Birgit Fischer, dass man beim sportlichen Paddeln eben nicht das Paddel einfach so durch’s Wasser ziehen, sondern ganz bewusst den Catch ausführen, den Druck auch spüren und dann das Paddel kraftvoll durchziehen soll. Das ganze sei ja kein Sonntagsausflug und soll eben auch anstrengen. Ebenfalls hilft mir dabei die Pulsuhr, die ich mittlerweile zumindest bei flotteren Runden trage. Mit Beinarbeit und Paddelschlägen, die was bringen, ist mein Puls nämlich automatisch mindestens auf 130. Irgendwas zwischen 140 und 150 ist mein Ziel. Sobald er unter 120 sinkt, weiß ich, dass ich es mir zu gemütlich mache und der Trott einsetzt. Dann heißt es mit ein paar bewusst kräftigen Schlägen in höherer Frequenz, den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen und wieder in den Flow zu kommen.

Sitzfleisch

Was Ray nicht erwähnt, in meinen Augen aber DEN begrenzenden Faktor für die Langstrecke darstellt, ist die Kondition des Gluteus Maximus. Während in letzter Zeit kaum mehr Arme oder Rumpf während des Paddelns spürbar ermüden oder ich später Muskelkater bekomme, kann ich schlicht irgendwann nicht mehr bequem sitzen. Über zehn Stunden im Boot zu sitzen ist dabei eine Trainingsfrage, aber auch eine Frage der Ausrüstung. Obwohl mein Sitz bereits eine leichte Polsterung hat, ist für mich eine weiteres dünnes Polster aus simpler „Baumarkt“-Isomatte unerlässlich, aber auch ausreichend.

Grönlandtechnik: Hohe Stütze („high brace“)

Als Ergänzung und nächste “Eskalationsstufe” zur flachen Stütze bietet sich bei höheren Wellen die hohe Stütze an. Im Ergebnis ist diese “nur” der letzte Teil einer Standard-Grönlandrolle. Das war damit auch die erste Stütze, die ich recht sicher einsetzen konnte und immer noch intuitiv meine erste Wahl im Fall der Fälle.

Greg Stamer hat es in einem Foren-Post mal mit Stützen mit dem Euro-Paddel verglichen und die nur im Detail bestehenden Unterschiede auf den Punkt gebracht:

Meine standardmäßige Stütze mit einem Grönlandpaddel ist eine gewöhnliche hohe oder flache Stütze. Die einzigen Unterschiede sind, dass das Paddel stets verlängert wird und statt es mit einer Rotation wieder vertikal aus dem Wasser zu heben, zieht man das Paddel der Länge nach, mit dem gleichbleibendem Druck auf die Wasseroberfläche solange, bis der Schaft wieder über dem Deck ist. Das erzeugt weitere Stützwirkung und behält das Paddel in Position für eine weitere Stütze oder einen Bogenschlag / Skullen. [eigene, freie Übersetzung]

epp_spiekeroog_2-10

Für die hohe Stütze befindes sich das Paddel sich in der verlängerten Position: Sobald eine Welle rechts bricht, bleibt die rechte Hand in der Grundposition an der Grenze zwischen Blatt und Schaft, die linke Hand wird gelockert und gleitet zum Paddelblatt (siehe Gleitschlag). Im Gegensatz zur flachen Stütze sind die Ellenbogen nun – ähnlich wie bei einem Klimmzug – unter dem Paddelschaft. Das Paddelblatt liegt damit mit der Rückseite (der Seite, die beim Vorwärtsschlag zum Paddler zeigt) parallel zum Wasser. Anders als der Name vermuten lässt, werden die Hände nicht wirklich hoch gehalten und sollten stets unter Schulterhöhe liegen. Eine zu hohe Haltung birgt ein hohes Verletzungsrisiko für die Schultergelenke. Auch hier wird das Kajak mit einem Hüftschwung aufgerichtet.

Grönlandtechnik: Bogenschlag (“Sweep stroke, reverse sweep stroke”)

Bogenschläge dienen dazu, die Richtung des Bootes zu beeinflussen. Während das Boot auf der Seite, zu der gesteuert werden soll, aufgekanntet wird, wird auf der gegenüberliegenden Seite der Paddelschlag ausgeführt. Teilweise reicht bereits das Ankannten und ein normaler Paddelschlag. Für deutlichere Kurskorrekturen ist jedoch meist ein Bogenschlag sinnvoll.

Bei der Nutzung eines Grönlandpaddels richtet der Bogenschlag relativ wenig aus, wenn beide Hände in der Grundposition am Paddelschaft verharren. Vielmehr empfiehlt sich die verlängerte Position: beim Bogenschlag auf der rechten Seite greift die rechte Hand den Schaft in der Mitte (oder noch weiter links an der Grenze zum linken Blatt) und die linke Hand greift das Paddelblatt (siehe Gleitschlag).

Das Paddel wird so nah wie möglich am Bug des Kajaks eingesetzt. Die obere Blattkante zeicht leicht nach außen. Das Paddel wird nun halbkreisförmig durch die Körperrotation von Bug zu Heck geführt. Der führende Arm ist weit ausgestreckt und das dazugehörige Bein erzeugt Gegendruck auf der Fußstütze. Das Paddel wird wieder ausgehoben, wenn noch etwa 45 Grad zum Halbkreis fehlen.

Während der Bogenschlag also ähnlich wie beim Euroblatt ausgeführt wird, ist er durch den viel größeren Hebel sehr viel effektiver. Gleichzeitig gibt dies und das leicht angekanntete Paddel eine sehr große Stützwirkung, was Sicherheit für deutliches Ankannten gibt. Diese im Vergleich zum Europaddel größere Effektivität kann man an geeigneter Stelle auch problemlos ausprobieren und mit beiden Paddeln eine 360-Grad-Wende vollziehen. Die Anzahl der Schläge mit dem Grönlandpaddel dürfte deutlich geringer ausfallen.

Will man die Richtung ändern und das Boot gleichzeitig deutlich abbremsen, empfiehlt sich ein von hinten nach vorn geführter Bogenschlag, der nach dem gleichen Prinzip ausgeführt wird.

Grönlandtechnik: Flache Stütze („low brace“)

Wenn es in bewegter See kipplig wird, bietet die flache Stütze eine geeignete Möglichkeit, das Boot zu stabilisieren, die Balance zu behalten und eine Kenterung zu vermeiden. Das Paddel befindet sich in der verlängerten Position: Bei einer Stütze auf der rechten Seite greift die rechte Hand den Schaft in der Mitte (oder links davon) und die linke Hand greift das Paddelblatt (siehe Gleitschlag).

EPP3_Brandung_23

Im einfachsten Fall reicht ein leichtes Aufschlagen des Paddelblatts auf die Wasseroberfläche. Sollte dies nicht ausreichen, hilft eine zusätzliche gleitende Paddelbewegung – ähnlich einem Bogenschlag. Das Paddelblatt liegt mit der Vorderseite (der Seite, die beim Vorwärtsschlag vom Paddler weg zeigt) parallel zum Wasser. Beim Vorwärts-Paddeln empfiehlt sich ein leichtes Anwinkeln, sodass die vordere Seite leicht erhöht ist. Bei einer vorwärts streichenden Bewegung bleibt es nun über der Wasseroberfläche. Bei der Bewegung nach hinten sollte die hintere Seite leicht erhöht sein. Das Paddel verbleibt unterhalb der Ellenbogen, die Handflächen zeigen nach unten – die Oberarme sind parallel zum Paddel ausgerichtet. Das Kajak wird mit einem Hüftschwung aufgerichtet.

Anders als beim Europaddel sollte das Paddel nicht gedreht werden, um mit der Blattkante durch die Wasseroberfläche zu schneiden und das Paddel wieder aus dem Wasser zu heben. Stattdessen empfiehlt es sich, das Paddelblatt parallel zur Wasseroberfläche zu behalten und das Paddel über das Deck aus dem Wasser zu ziehen. Die Hände sollten dabei nicht über das Paddel gleiten, sondern es die ganze Zeit über sicher mit beiden Händen greifen.

Ressourcen

Grönlandtechnik: Gleitschlag („Sliding Stroke“)

Lernt man das Paddeln mit dem Europaddel, bekommt man beigebracht, dass die Hände den Paddelschaft stets an der gleichen Stelle greifen. Von dieser Vorstellung muss man sich beim Grönlandpaddel lösen. Schließlich ist es bewusst so gebaut, dass es an jeder Stelle gegriffen werden kann und man am Paddel zu einer neuen Position entlangfahren – eben gleiten – kann. Die Beherrschung des Gleitschlags – im englischen sliding stroke – stellt sowohl als eigenständiger Vorwärtsschlag als auch als Brücke zu Steuer- und Stützschlägen eine wichtige Grundlage dar. Bei der Nutzung eines (kürzeren) Sturmpaddels ist der Gleitschlag die einzige Möglichkeit des Vorwärtsschlags.

Ein Schlag auf der rechten Seite beginnt mit der rechten Hand ungefähr in der Mitte des Paddelschaftes. Die linke Hand befindet sich ungefähr eine Schulterbreite entfernt – also nahe dem Ende des linken Paddelblattes. Beide Hände umgreifen jetzt fest das Paddel und führen es auf der rechten Seite am Boot vorbei. Beim anschließenden Umsetzen gleitet die linke Hand bis zur Mitte des Schaftes – und schlägt ggf. gegen die rechte Hand. Diese gleitet dann ihrerseits nach außen zum Ende des rechten Paddelblatts. Es wird nicht das Ende des Paddel von außen umfasst und eine Hand behält stets das Paddel fest im Griff. Die Schlagfrequenz ist geringer als beim normalen Grundschlag (Orientierung: etwa 40-50 Schlägen pro Minute). Ebenso wie beim Grundlschlag wird das Paddel angewinkelt (canted) durch das Wasser geführt.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=bwgRo2qahZY]

Vorteil des Gleitschlags ist, dass das Paddel weiter eintaucht als beim normalen Grundschlag und somit mehr Wasser verdrängt. Bei sehr steiler – fast vertikaler – Ausführung eignet er sich damit sehr gut für schnellere Passagen und Sprints. Bei sehr flacher Ausführung bietet er sich für flaches Wasser an, bei dem man mit dem Grundschlag entweder den Grund berührt oder das Paddel nicht tief genug eintauchen kann. Der Schlag ist sehr variabel an die Situation anpassbar. Bspw. kann das Paddel in bestimmten Situationen auf einer Seite tiefer geführt werden als auf der anderen, um den Kurs zu halten.

Der Bewegungsablauf des Gleitschlags erfordert Gewöhnung, da er anfangs nicht wirklich intuitiv ist. Ist er jedoch erst einmal verinnerlicht, ermöglicht das schnelle Umsetzen des Paddels spontane Steuer- und Stützschläge, sowie das intuitive Auslegen des Paddels bei der Grönlandrolle. Es ist daher von Vorteil, den Gleitschlag hin und wieder in seine Paddeltouren zu integrieren – gerade auf längeren Touren kann er auch willkommene Abwechslung sein.

Abwandlung: Kurzer Gleitschlag

Da das Grönlandpaddel eigentlich überall gut zu greifen ist, besteht auch die Möglichkeit eines „kurzen Gleitschlags“. Die Zughand gleitet dabei nicht bis zur Mitte des Schafts, sondern verbleibt beim Übergang von Schaft auf Blatt (ähnlich dem normalen Grundschlag). Die Druckhand gleitet dementsprechend nicht so weit wie beim vollständigen Gleitschlag nach außen.

Diese Technik wird z.B. Im Film Palo’s Wedding von Knud Rasmussen verwandt (siehe bei ca. 2 Minuten in folgendem Ausschnitt)

[youtube=http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=UdW-HBUcfUE]

Ressourcen:

Grönlandtechnik: Grundschlag

Das Grönlandpaddel ist ein ideales Werkzeug, wenn man lange Strecken ermüdungsarm paddeln möchte. Dafür ist jedoch ein effizienter Vorwärtsschlag erforderlich. Handhaltung, Führung des Paddels, Körperhaltung und Körperbewegung müssen aufeinander abgestimmt werden. Um besser zu verstehen, wie Körper, Paddel und Boot zusammenwirken, ist es hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, was beim Paddeln im Grundschlag eigentlich passiert.

„Am Stock ziehen“

Aus der Perspektive des Paddlers wirkt es, als würde er das Paddel vorn eintauchen, eineinhalb Meter gegen den Wasserdruck zurückziehen, das Paddel ausheben und dann von vorn beginnen. Das kann natürlich nicht richtig sein. In Wirklichkeit bewegt sich das das Paddel (bis auf ein wenig „Schlupf“) kaum. Das Paddel wird ungefähr eineinhalb Meter vor dem Paddler im Wasser „verankert“, dann zieht sich der Paddler mit dem Paddel“schlag“ heran. Taucht das Paddel eineinhalb Meter voraus auf der anderen Seite ein und zieht sich wieder heran.

Handhaltung

Zeigefinger und Daumen umgreifen den Schaft und die übrigen Finger das innere Ende des PaddelblattesGrönlandpaddel sind symmetrisch gebaut, der Schaft geht fließend in das Blatt über und auch weit außen am Blatt kann das Paddel noch problemlos gegriffen werden. Das Paddel kann daher je nach Vorliebe und Situation flexibel gegriffen werden. So ist es beispielsweise manchmal sinnvoll, das Paddel auf einer Seite weiter außen zu greifen als auf der anderen – z.B. bei Seitenwind. Im Normalfall wird das Paddel jedoch auch symmetrisch gegriffen, sodass beide Blätter die gleiche Kraft übertragen. Als Ausgangspunkt hat sich für viele Paddler bewährt, das Paddel im Grundschlag so zu greifen, dass auf beiden Seitenn Zeigefinger und Daumen den Schaft umgreifen und die übrigen Finger das innere Ende des Paddelblattes. Dadurch, dass die Hände näher zusammen liegen, verbleiben sie verglichen mit einem Euro-Paddel eher tief, was insbesondere auf längeren Strecken Kraft spart.

Paddelhaltung

Ebenso wie die Handhaltung kann die Paddelhaltung sehr flexibel gehandhabt werden. Ein Grönlandpaddel kann sehr vielseitig, von einer sehr flachen (horizontalen) bis zu einer sehr steilen (vertikalen) Technik gefahren werden. Das Vorurteil, ein Grönlandpaddel werde stets flach gepaddelt, stimmt also nicht.

Für eher gemütliche Touren wird das Paddel tatsächlich recht niedrig gehalten und flach gepaddel. Dadurch paddelt man sehr kräfteschonend. Hände und Paddel bleiben auf Höhe des Bauches und damit dicht über der Spritzdecke. Die Oberarme hängen locker und parallel zum Torso. Die Unterarme werden ungefähr im rechten Winkel zu den Oberarmen gehalten und bleiben während des gesamten Paddelzugs in angewinkelter Haltung. Die Arme werden vor und zurück geschwungen, ohne nach außen geführt zu werden. Diese flache Haltung bewährt sich ebenfalls bei raueren Bedingungen, da die höhere Stützwirkung dem Paddler mehr Sicherheit gibt.

Für flottere Touren hat sich eine Paddelhaltung von ca. 45 Grad bewährt – für noch schnellere Streckenabschnitte und Sprints eine noch deutlich steilere Paddelhaltung. Hier wird das Paddel notwendigerweise höher gehalten und die Arme nur noch ganz leicht angewinkelt. Sie sollen jedoch auch nicht komplett durchgestreckt werden. Das Paddel wird dadurch weiter vorn eingesetzt.

Angewinkelter Zug (canted stroke)

Grundsätzlich kann das Paddelblatt im rechten Winkel zur Wasseroberfläche eingetaucht werden (obere und untere Kante sind dann übereinander). Es empfiehlt sich allerdings das Paddel so anzuwinkeln, dass die obere Kante zum Boot hin-, die untere Kante vom Boot weg zeigt (“canted stroke”). Der Winkel kann sehr individuell ausfallen – ein guter Ausgangspunkt dürfte aber in waagerechter Paddelhaltung eine Drehung der oberen Blattkante um 30 Grad nach vorn sein.

Das Anwinkeln wird in Grönland als Fortgeschrittenentechnik gelehrt. Gerade, wenn man mit dem Grönlandpaddel anfangs das Gefühl hat, es flattere oder das Paddel lasse sich für die Kraftübertragung nicht gut genug im Wasser verankern, lohnt sich das Anwinkeln bzw. Unterschneiden. Der Widerstand beim Beginn des Paddelzugs ist deutlich spürbar, gibt Sicherheit und erhöht die Kraftübertragung. Manche Grönlandpaddler vergleichen das Anwinkeln des Paddels mit dem Wechsel vom Europaddel auf ein Wingpaddel.

Einsetzen

Im Gegensatz zum Euro- und Wingpaddel sollte das Grönlandpaddel nicht zu weit vorn eingetaucht werden. Sollte es beim Eintauchen platschen, wurde es vermutlich zu weit vorn eingetaucht. Die Stelle zum Einsetzen sollte sich aus der Körperrotation ergeben und nicht etwa durch Vorbeugen des Oberkörpers.

Luftverwirbelungen gilt es zu vermeiden. Macht das Paddel ein kratzendes Geräusch, das an Schaben durch Sand erinnert, geht neben der Effizienz auch die Lautlosigkeit verloren, die das Grönlandpaddel eigentlich auszeichnet. Man sollte das Paddel daher möglichst zügig mit einer schnellen Abwärtsbewegung eintauchen. Entweder schneidet man dabei mit dem Blattrand ins Wasser (nur die Blattseite wird im Ausgangspunkt mit Wasser benetzt) oder man bedinet sich der Wingpaddel-Technik „einen Lachs aufzuspießen“. Dabei wird das Paddel von der oberen Hand mit einer horizontalen Stoßbewegung ins Wasser gestochen (nur die Blattspitzewird im Ausgangspunkt mit Wasser benetzt). Insgesamt sollte darauf geachtet werden, dass die obere Hand die Balttführung und die Eintrauchbewegung kontrolliert, da der Paddler anderenfalls Gefahr läuft, dass seine Zughand beim Einsetzen schlampig agiert, weil sie schon in die Zugphase übergeht.

Zugphase

Um ordentlich Vortrieb zu erzeugen, ist eine gute Verankerung im Boot wichtig. Gerade, um die Kraft aus der Körperrotation umzusetzen, ist ein Gegendruck aus den Beinen wichtig. Bei einem Paddelschlag auf der rechten Seite heißt das: Mit dem rechten Fuß/Bein wird Druck auf die Fußraste ausgeübt. Der linke Fuß ist währenddessen entspannt. Für den bestmöglichen Gegendruck sollten die Füße möglichst zentral positioniert werden. In klassischen Grönland-Kajaks kann zusätzlich das linke Knie gegen das Deck gedrückt werden, um die Verankerung zu unterstüzen. Durch das aktive Einbeziehen der Beine wird so zusätzlich vermieden, dass sie während langer Strecken einschlafen oder verkrampfen.

Das Paddel wird entweder gerade nach hinten – parallel zum Kiel – geführt. Alternativ kann es auch ein wenig nach außen – entlang der Bugwelle – geführt werden. Die obere Hand übt Druck nach vorn und unten aus. Die untere Hand übt (leichteren) Zug aus. Schwerpunkt sollte auf der Druckbewegung liegen, die Zugbewegung wird erheblich durch die Körperrotation unterstützt und kann damit schwächer ausfallen. Es empfiehlt sich, die Druckhand zur Entspannung öfters zu öffnen. Allgemein dienen die Arme eher zur Führung und Positionierung des Paddels, während der Vortrieb maßgeblich aus der Körperrotation entsteht.

Körperrotation

Der größte Teil des Vortriebs wird nicht aus Drücken und Ziehen des Paddels erzielt, sondern aus der Drehung des Rumpfes. Verglichen mit der relativ kleinen Armmuskulatur kann man so auf viel größere und kräftige Muskelgruppen zurückgreifen. Durch die Nutzung von Rücken-, Brust-, Bein- und Bauchmuskulatur ergänzend zu den Armen kann vergleichsweise lang und ermüdungsfrei gepaddelt werden. Gerade mit dem Grönlandpaddel muss großes Augenmerk auf die Körperrotation gelegt werden. Schließlich sind die Hände deutlich enger beeinander als beim Europaddel. Eine schlechte Körperrotation kann daher nicht ohne Weiteres durch kraftvolle Armbewegungen kompensiert werden. Gerade zu Beginn empfiehlt es sich, diese Bewegung sehr bewusst auszuführen. Anschließender Muskelkater in der Bauchregion ist ein gutes Zeichen. Um möglichst viel Kraft aus der Rotation holen zu können, muss der Paddler möglichst aufrecht sitzen. Ziel ist es, dass sich tatsächlich der Hintern dreht. Von außen soll die Bewegung der Schwimmweste deutlich erkennbar sein.

Exit

Ein Grönlandpaddel erzeugt auch noch dort Vortrieb, wo das Europaddel schon nichts mehr bewirkt. Das Paddel wird daher weiter hinten wieder ausgehoben – nämlich dann, wenn die führende Hand (nicht das Paddel) ungefähr auf Hüfthöhe sind. Wie man das Paddel aushebt ist eine Frage der Gewöhnung und Vorliebe. Entweder hebt man das Paddel langsam unter Nutzung des eigenen Auftriebs und schneidet es mit der Kante durch die Wasseroberfläche. Es ist jedoch auch verbreitet, das Paddel gegen den (deutlich zu spürenden) Widerstand des Wassers senkrecht herauszuheben. Neben einer kleinen Fontäne erzeugt auch das nochmals leichten Vortrieb, der sich auf lange Distanzen multiplizieren und damit rechnen kann.

Frequenz

Auch die Frequenz kann einigermaßen individuell gehandhabt und der Situation angepasst werden. Ziel sollte jedoch stets sein, eine flüssige Bewegung entstehen zu lassen. Für eher gemütliche Touren kann man sich an 60 Paddelschlägen pro Minute orientieren. Will man schneller paddeln, gilt es diese Frequenz zu erhöhen.

Ressourcen