Eis frei! ins neue Jahr

Pünktlich zum Jahreswechsel hat Steven an den „wichtigsten Termin für die TKV-Winterpaddel-Gemeinde“ erinnert. Da Dänen nicht lügen und ich mir sowas selten zweimal sagen lasse, stelle ich mir den Wecker auch an diesem Neujahrsmorgen auf eine Zeit, die die meisten Mitbürger eher ungläubig zurück lässt. Dafür starte ich gemeinsam mit den ausgebufftesten Frühaufstehern des TKV, einem todsicheren Plan und der Aussicht auf einen grandiosen Sonnenaufgang ins neue Jahr. Außerdem lockt Rührei – das Frühstück der Champions. Da der Jahreswechsel auch in diesem Jahr wieder in den Winter fiel und Wasser bei jahreszeittypischen Temperaturen manchmal hart wird, konnten wir einmal mehr mit unseren Paddeln auf Eis einschlagen, um so manche Engstelle zu passieren (nicht zu Hause nachmachen!). Ich würde lügen, würde ich behaupten, das hätte keinen Spaß gemacht.

Zum sportlichen Teil: Die Statistik der Eierfahrt zum Weißen Schwan ist einfach. In den letzten vier Jahren ging der Titel des Jahresersten zweimal an den TKV und zweimal an die rückwärtsfahrenden Sportfreunde aus Birkenwerder. Welche Ausrede letztere auch immer anbringen (Eis gilt nicht), bis zum 31.12.2017 wird – allen kritischen Blicken und garstigen Kommentaren der Schwan-Belegschaft zum Trotz – eine kunstvoll von weitgereister Männerhand beschriftete Tafel den Notausgang des Schwans zieren. Wie ich schon anderenorts dokumentiert habe, sind Vorsätze nicht meins. Aber mit einem neuen Boot im Stall (der Trend geht zum Fünftboot!) und verschiedenen Plänen im Kopf, führt in diesem Jahr vielleicht eines zum anderen und hier erscheinen wieder mehr Beiträge.

Olympiasieger-Besieger – 1000Seen-Marathon 2014

Als großartige Veranstaltung zum Saisonabschluss hat sich in diesem Jahr wieder der 1000Seen-Marathon herausgestellt. Dieses Mal entscheide ich mich, auf der Marathondistanz anzutreten. Ein nur mäßig trainierter Sitzmuskel und die Eindrücke von der Langdistanz vor zwei Jahren lassen mich vor größeren Anstrengungen zurückschrecken. Die Wetterprognose geht auch in diesem Jahr von regnerischem Wetter aus – soll damit aber (wie in diesem Sommer häufiger) ziemlich daneben liegen. Meine Ansprüche schraube ich nicht allzu hoch. Auf dem Weg zur Diemitzer Schleuse und dem Start des Marathons erspähe ich einen schönen Holzkanadier. Zumindest vor dem möchte ich im Ziel sein. Der zweite Blick weist mich in meine Schranken, erkenne ich doch den Steuermann. Der heißt Andreas Dittmer und ist mehrfacher Weltmeister und Olympiasieger im Kanadier. Hmmm….

Ging es bei unserem Start vor zwei Jahren auf der Langstrecke sehr ruhig ab, ist das Startfeld heute deutlich größer und es wird ganz schön wellig. Ich freue mich, dass ich den Gedanken, mit einem deutlich flotteren Touringboot anzutreten, weggewischt habe. Während ich sicher im Seekajak sitze, kentert ein gutes Stück neben mir bereits ein Streamliner, dem sofort geholfen wird. Klasse! Auch im Kanal zum Vilzsee ist es voll und kabbelig. Ich paddle meine Geschwindigkeit, die nicht unbedingt hoch ist – ich will mich nicht gleich völlig verausgaben. Das Umtragen an der Fleether Mühle klappt dank freundlicher Unterstützung wunderbar und ich verliere wenig Zeit. Ich komme mit einigen Paddlern in lockere Gespräche. Von hinten kommt irgendwann der Kanadier mit Dittmer vorbei. Renntempo fährt der nicht. Dranbleiben kann ich aber momentan auch nicht. Schade.

Geht es also noch entspannter weiter. Ich lasse den ein oder anderen Zweier passieren und ermahne mich, dieses Mal auch die herrliche Natur zu genießen. Auch die Umtragung in Wustrow klappt wunderbar. Auf dem Plätlinsee ist das Feld vor mir wieder besser einzusehen – so weit hinten bin ich ja gar nicht. Vor allem erspähe ich ein rotes Shirt, das ziemlich hoch sitzt. Ich beschließe also, bis zur Schwaanhavel Boden gut zu machen. Schwaanhavel… da war doch was. Kurz: die flache und enge Schwaanhavel bremst natürlich wieder aus.

Ich komme in diesem Jahr aber erstaunlich gut durch und bin am Ausgang recht dicht an einer langgezogenen Gruppe und einem schönen Holzkanadier. Als ich zu diesem aufschließe, macht er gerade an der Fischräucherei am Drewensee fest. Ich höre noch, wie sich die Kanadierfahrer zurufen: „Oh Mist. Jetzt sind wir überholt worden.“ Oh ja – und den Sieg fahre ich jetzt nach Hause! Seit der Schwaanhavel läuft es überraschend gut. Kein Einbruch wie im letzten Jahr. So überhole ich einige weitere Mitpaddler. Ein Kajakfahrer mit Wingpaddel fragt interessiert, was das für ein Paddel sei, das ich da fahre und ob man damit tatsächlich vorwärts kommt. Nach einer kurzen Erläuterung lasse ich Taten sprechen und bin weg.

Ich lege mich auf eine Null-Stop-Strategie fest, schiebe mir Banane Nummer drei sowie Snickers Nummer zwei rein und nehme die nächste Gruppe auf’s Korn. Zweimal heißt es noch an Schleusen umzutragen und ein paar Kilometer abzureißen. Konstant treibe ich mein Kajak voran, kein Einbruch, ich wittere den Sieg. Nach der Canower Schleuse schaue ich mich hin und wieder um. Mit etwas Abstand paddeln da ein paar Kajaks – kein Kanadier. Beschwingt biege ich daher um die Ecke und das Zielfloß kommt in Sicht. Ich lege nochmal ein wenig drauf und ziehe beherzt am Stock. Das war’s. 5:43. Olympiasieger-Besieger!

Rock’N’Roll!

Das erste Mal in einem Kajak saß ich in einer Schwimmhalle in Osnabrück. Das Ganze ist fast fünfzehn Jahre her und ich wollte die Eskimorolle lernen. Irgendwie fanden zwei Freunde und ich das Flugblatt des Unisports in der Mensa lustig und wir wollten uns mal wirklich wichtige Fähigkeiten aneignen – studium generale und so. Ruckzuck hatte ich den Dreh raus und nach dem zweiten Termin konnte ich rollen. Zwei Jahre später im Schwedenurlaub war dann Angeben angesagt. Schnell in den Neoprenanzug und raus auf den See. Noch schneller war ich wieder auf dem Boden der Tatsachen. Die Erfolgsquote lag bei unter fünf Prozent und das Wasser des Sees war einmal komplett durch meine Nasennebenhöhlen gefiltert. Immerhin gibt es noch ein Beweisfoto (zumindest vom Reinfallen und davon, dass ich am Hinterkopf mal Haare hatte).

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Als ich Jahre später begonnen habe, regelmäßig zu paddeln, war der Weg zur Rolle lang und steinig. In seinem Blog hat Gero dazu mal einen schönen Artikel geschrieben. Ähnlich lief es bei mir. Trotz stundenlanger Versuche im Nichtschwimmerbecken von Lindow und viel Geduld (zumindest von Gero) wollte der Knoten nicht platzen. Bei meinen Versuchen auf dem See war durchgehend Catharinas Bootsspitze zur Eskimorettung notwendig. Den entscheidenden Durchbruch brachten knapp fünf Minuten mit Silke – die Grundlagen waren längst verinnerlicht, aber der Grobmotoriker in meinem Kajak konnte sie nicht zusammensetzen. Statt irgendwelcher Bogenschlagsversuche mit oder ohne Paddelfloat, ermutigte mich Silke, mein Grönlandpaddel im rechten Winkel zu halten – sie hielt die andere Seite. Im Ergebnis sei das nichts anderes als die Eskimorettung, die ja bereits bestens funktionierte. Das klappte sehr gut – auch als sie das Paddel bei der nächsten Rolle losließ… und beim nächsten Dutzend Hangrollen.

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Nachdem die erste Rolle erstmal halbwegs sicher saß, war die Weiterentwicklung eine Frage von Zeit und Geduld. Die Übertragung auf die „schlechte“ Seite ging nicht von heute auf morgen. Vorteil war aber die Sicherheit, auf der Schoko-Seite sicher hochrollen zu können. So endeten Fehlversuche nicht zwangsläufig mit einem nassen Ausstieg, sondern mit einem tiefen Atemzug auf der guten Seite. Die Feuerprobe bestand ich in der Brandung vor Wangerooge mit einer Rolle, die nicht auf Ansage erfolgte, sondern in einer brechenden Welle, die mich schlicht umwarf. Seitdem arbeite ich kontinuierlich daran, weniger Kraft einzusetzen und das Paddel auch mal wegzulassen. Schwimmhallen sind daher im Winter weiterhin ein beliebtes Paddelrevier. Einer der Freunde vom Rollenkurs in Osnabrück behauptet seit Jahren, er könnte weiterhin aus dem Stand rollen. Demnächst gebe ich ihm die Gelegenheit zum Versuch.

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Auf ein Neues!

Am Neujahrsmorgen vor Sonnenaufgang ins Kajak steigen – bei null Grad Luft- und drei Grad Wassertemperatur – klingt für viele Paddler nach ziemlichem Unsinn. Vom gemeinen Nichtpaddler gar nicht erst zu reden. Wenn man diese Denkhürde aber erst einmal übersprungen hat, wird man mit einer grandiosen Tour in den ersten Sonnenstrahlen des neuen Jahres belohnt. Und wenn alles glatt läuft, gibt es auch noch eine große Portion Rührei sowie ein Jahr lang unbezahlbaren Ruhm.

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Nach dem in mehrfacher Hinsicht misslungenen Versuch vom letzten Jahr sollte auch das Jahr 2014 mit einem sympathischen Wettbewerb beginnen: demjenigen, der mit einem Paddel- oder Ruderboot als erster im neuen Jahr beim „Gasthaus zum Weißen Schwan“ aufschlägt, winken gebratene Eier auf’s Haus und ein Ehrenplatz auf einer Tafel an der Wand. Das Unterfangen wird von den Kombattanten kreativerweise „Eierfahrt“ genannt. Die grundlegende Taktik in Kürze: wenn die Havel nicht zugefroren ist, ist man am 2. Januar in der Regel zu spät. Auch allzu lange nach Öffnung des Schwans sollte man nicht ankommen. Paddelt man – wie die vier diesjährigen TKVler – ab Tegel, hat man knapp 17 km vor sich und muss dementsprechend früh losfahren.

Mussten wir uns im letzten Jahr noch den Rückwärtsfahrern vom Ruderverein Birkenwerder geschlagen geben, setzen wir in diesem Jahr zum fulminanten Rückschlag an. Als wir den weißen Schwan erreichen, sind wir sowas von die ersten Gäste. Mit einem zu einfachen Sieg geben wir uns nach der letztjährigen Schmach natürlich nicht zufrieden und beschließen den Ruderern entgegen zu paddeln. Als wir sie um die Kurve kommen sehen, drehen wir, setzen zum Sprint an… Der Rest ist Geschichte.

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Beim gemeinsamen Scherzen am Bootssteg über unseren Triumph und mögliche Taktiken für das nächste Jahr dämmert es so manchem, dass heute möglicherweise ein Wettrüsten begonnen wurde, das Potenzial für so manche Skurrilität hat. Aber was tut man nicht alles für eine große Portion Rührei, ein Jahr lang Ruhm und grummelnde Ruderer.

Ein frohes neues Jahr!

Auf ein Neues – Paddeln bis der Arzt kommt

Man soll ja nicht immer nur über großartige Touren, Erfolgserlebnisse und vermeintliche Heldentaten schreiben. Gerade aus Rückschlägen lernt man ja oft am meisten – und seien es nur die eigenen Grenzen. Aber der Reihe nach…

Bei unseren letzten Touren zum „Gasthaus zum weißen Schwan“, in dem wir als Paddler stets sehr willkommen sind und das ca. 17 km vom TKV-Bootshaus entfernt liegt, haben wir hin und wieder eine kleine Tafel an der Wand bewundert. Ebenjenes Gasthaus hat einen Preis für diejenigen Paddler oder Ruderer ausgelobt, die als erste im neuen Jahr anlegen und Rast machen. Das mag in früheren Zeiten später im Jahr gewesen sein. Schon länger hat man allneujahr_08erdings nur eine Chance auf den Ehrenplatz an der Wand, wenn man – Eisfreiheit vorausgesetzt – an Neujahr aufschlägt. Nachdem der auf der Tafel vermerkte Rekord vom 1. Januar 2012 auf 10:03 Uhr lautete und das Gasthaus (offiziell) um 10:00 Uhr öffnete, verblieb uns daher nur ein schmales Zeitfenster, wollten wir 2013 an der Wand prangen.

neujahr_05Dieses Ziel vor Augen setzten sich Catharina, Gero und ich am Neujahrsmorgen in die Boote und legten pünktlichst um 7:26 Uhr ab. Klingt verrückt… ist es wahrscheinlich auch. Belohnt wurden wir durch eine herrliche Zeit in der Ruhe des Tegeler Sees. Nur der ein oder andere versprengte Knall erinnerte noch an die bürgerkriegsähnlichen Zustände der Silvesternacht. Die Skyline von Tegel wurde langsam blutrot und die ersten Sonnenstrahlen trafen auf das leicht vom Wind bewegte Wasser. Hatten wir bis zur Havel noch Gegenwind, schob er uns ab jetzt unserem Ziel entgegen. Sogar der Kanal vor Henningsdorf war in dieser morgendlichen Stimmung idyllisch. Vorbei an den immer imposanter werdenden Biberburgen kamen wir Kilometer für Kilometer unserem Ziel immer näher und die angepeilte Zeit von 10:00 Uhr war greifbar. Als wir kurz vor zehn den Weißen Schwan in Sichtweite hatten, lag allerdings bereits ein Vierer-Ruderer am Steg und das Fähnchen des Rudervereins Birkenwerder wehte arrogant im Wind. Damit waren neben dem gewohnten Platz am Holzsteg auch unser Platz auf der Tafel bereits anderweitig vergeben.

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Ich legte daher an einem der übrigen Stege an, stieg aus und zog mein Boot am vorderen Toggle an Land. Dem PE-Bootskörper macht das ja nicht viel aus. Leider dem Gummizug, der das Toggle auf Spannung hält schon… Im letzten Moment löst sich der Haken, der den Gummizug am Ring der Rundumleine halten soll und schnellt mir entgegen. Mit ziemlicher Geschwindigkeit trifft er die Handwurzel meines linken Mittelfingers. Meine Hand ist von den Außentemperaturen und dem Wasser noch ziemlich kalt. Außer einem kurzen Schmerz merke ich daher/trotzdem (?) nichts. Nichts weiter dabei denkend ziehe ich mir die Handschuhe aus und entdecke eine ziemlich eindrucksvolle Beule, die sich gebildet hat und immer größer wird. Zwischenzeitlich habe ich einen großen Huckel vom Durchmesser einer Zwei-Euro-Münze auf meiner Handaußenseite. Ich zeige ihn kurz Gero, der neben mir angelegt hat, verneine aber sofort ruhigen Gewissens, dass die Verletzung wehtut und verschiebe eine Behandlung auf drinnen. Ein paar Momente später wird mir zunehmend schwindelig. Ich setze mich zunächst auf einen der vom Sommer verbliebenen Gartenstühle. Den Vorschlag von Gero, mich hinzulegen, bejahe ich sofort. Den Weg ins Innere des Gasthauses, auf dem er mich stützt, nehme ich kaum noch wahr. Schnell werde ich endgültig bewusstlos.

neujahr_01Zum Glück sind die Ruderer zur Stelle und helfen, mich mit vereinten Kräften hineinzutragen. [Davon hatten sie ja noch genug, da sie einen viel kürzeren Anfahrtsweg hatten. Nur ein Spaß: vielen Dank nochmal!]. Drinnen lichtet sich dann der Schleier wieder und ich werde nach kurzer Abwesenheit wieder klar. Nachdem der Rettungswagen gerufen ist, bin ich auch schon wieder so weit, blöde Sprüche machen zu können. Der Notarzt stellt denn auch einen soliden Blutdruck fest. Damit bin ich, neujahr_13 mit einem Eisbeutel bewaffnet, zwar wieder auf dem Damm. Zurück zu paddeln, wäre aber unverantwortlich. Ich vertraue daher mein Boot schweren Herzens Gero und seiner Schleppleine an, während ich selbst die Rückfahrt im Taxi antrete.

Warum mein Körper für meine Verhältnisse so ungewöhnlich (Schock!) reagiert hat, ist mir immer noch nicht ganz klar. Vielleicht mag die Erschöpfung nach dem Paddeln im Kalten und eine noch nicht ganz überwundene Erkältung dazu beigetragen haben. In jedem Fall lehrt es mich, wie abhängig ein neujahr_14Paddler von seinem Material sein kann und wie leicht auch schon klein erscheinende Defekte dumm ausgehen können. Meine Toggle befestige ich jetzt jedenfalls ohne die dämlichen Haken. Und auf die olle Tafel will ich im nächsten Jahr auf jeden Fall.

Nachklapp: erledigt!

Die Letzten sind nur die langsamsten Gewinner – 1000Seen-Marathon 2012

Inuit sollen ja unzählige Wörter für Schnee haben. Auch wenn das offenbar so nicht stimmt, wird man sich ähnliches wohl irgendwann über Mecklenburger und Regen erzählen. Wir hatten am Samstag jedenfalls eine ganze Menge davon. Aus allen denkbaren Richtungen und mit verschiedensten Intensitäten. Die Nass-Kälte beim diesjährigen 1000Seen-Marathon hat dem Spaß allerdings keinen Abbruch getan.

Jeder Marathon beginnt mit dem ersten Paddelschlag

Zu neunt angereist teilt sich das Team „TKV und friends“ am Morgen des Marathons grob in zwei Gruppen: Catharina und mich hat der Ehrgeiz gepackt und wir starten auf der 62-km-Langstrecke, dem Rest reicht der Halbmarathon. Die letzten Stunden vor dem Aufstehen hat es bereits beharrlich aufs Zeltdach geprasselt. So rollern wir zu zweit kurz nach Sonnenaufgang an einem frischen Oktobermorgen und im Regen unsere Seekajaks Richtung Diemitzer Schleuse. Die Gruppe, die sich hier versammelt hat, ist recht überschaubar. Schnell wird klar: wenn wir durchhalten, sind wir in jedem Fall in den Top10! Aber bis dahin ist es noch ein gutes Stück Weg.

Nachdem die Boote alle nebeneinander aufgereiht sind, startet das Rennen pünktlich um 8:00 Uhr. Man merkt schnell die unterschiedlichen Ambitionen und Leistungsstände. Auf dem Labussee ist das Feld schon deutlich auseinandergezogen. Als wir um die nördliche Landzunge biegen, sind alle Mitpaddler außer Sicht und wir müssen uns allein zurecht finden. Schnell ist die Verbindung zum Gobenowsee gefunden. Von hinten nähert sich eines der allgegenwärtigen Boote der Wasserwacht und wir grüßen uns freundlich. Den beiden Insassen dürfte noch kälter sein als uns, die wir wenigsten Bewegung bekommen. Im Klenzsee passieren wir das erste Kontrollfloß. Das ist sehr praktisch, da wir dieses später am Tag als Wendemarke nochmal umrunden müssen und so wenigstens schon eine erste Orientierung haben.

Noch ein kurzes Stück trennt uns nun von der ersten Umtragestelle in Wustrow, die ungefähr die 10km-Marke bildet. Die mitgebrachten Bootswagen erweisen sich als überflüssig, da sowohl Wagen als auch Helfer parat stehen – noch lehnen wir die Hilfe dankend ab. Auch auf dem anschießenden Plätlinsee können wir unsere Mitpaddler in der Ferne nicht mehr erspähen. Offenbar haben sie schon einiges an Vorsprung.

Grüne Hölle Schwaanhavel

Am Ende des Plätlinsees wartet die Schwaanhavel auf uns – ein sehr idyllisches, vor sich hin mäanderndes Wassergässchen, das wir von einer Tour vor zwei Jahren schon kennen. Für einen Marathon ist diese Strecke eigentlich herzlich ungeeignet, da das Wasser extrem flach und schmal ist und zusätzlich alle Nase lang durch umgestürzte Baumstämme und Äste verstellt wird. Insbesondere im ersten Drittel habe ich mit dem flachen Wasser extrem zu kämpfen. Da mögen sich Schnellpaddler beschweren, dass sich ihr Boot festsaugt, oder ähnliches. Mein Problem ist, dass ich mein Grönlandpaddel nicht mal zu einem Drittel eingetaucht bekomme, wenn ich nicht zum Gondoliere werden will. Und für flache Schläge ist rechts und links einfach nicht genug Platz. Das heißt für mich einen guten Kilometer mit echt erbärmlichen Schlägen voranzukommen.

Eigentlich wollten wir zumindest so schnell sein, dass uns die später und mit leicht anderem Streckenverlauf gestarteten Marathon-Paddler nicht ausgerechnet hier einholen. Das funktioniert allerdings nicht, hören wir doch bald die ersten Stimmen hinter uns, die sich über die Hindernisse beklagen. Wir warten natürlich möglichst weit außen und lassen die Rennkanuten passieren. Das verschafft uns Gelegenheit, sie dabei zu beobachten, wie sie faktisch nur mit Stützen um die im Wasser hängenden Äste Slalom fahren. Die weiteren zwei Kilometer über schaue ich immer wieder auf mein GPS in der Hoffnung, dass wir bald durch sind. Dabei zeigt sich allerdings ein ähnliches Phänomen wie bei Teewasser, das nicht kocht, solange man zuschaut. Die Strecke zieht sich gefühlte Ewigkeiten, bis wir endlich die Havel erreichen. Ich bin völlig ausgelaugt, aber zumindest froh, dass ich mich jetzt wieder um einigermaßen saubere Paddelschläge bemühen kann. Nach und nach komme ich wieder in den Rhythmus – aber Catharina setzt sich immer wieder deutlich ab.

Portagen und Psychologie

Eigentlich hatten wir beim Fischer an der Holzbrücke zwischen Drewen- und Finowsee nach ca. 20 km eine Rast geplant. Wir sind uns aber beide sofort einig, dass wir die ausfallen lassen, weil jetzt keiner das Boot verlassen und Gefahr laufen möchte im Regen völlig auszukühlen. So geht es weiter auf Havel, Wangnitz-, Großem Priepert- und Ellenbogensee Richtung Schleuse Strasen. Ab jetzt überholen uns immer wieder Marathonis in Formation. Die Schleuse Strasen im Blick wird gerade eine Yacht hereingelassen. Wir gehen daher in den Spurt über, da wir geplant hatten, statt Umtragen passende Gelegenheiten zum Schleusen zu nutzen. Knapp hundert Meter vor dem Ziel schaltet der Schleusenwärter allerdings auf Rot und unsere Anstrengung war vergebens. Wir nehmen daher dankbar die Unterstützung der Helfer beim Umtragen an und legen eine kurze Pause ein.
Nach der Schleuse haben die Organisatoren für uns eine weitere psychologische Herausforderung eingebaut: wir müssen in den Großen Pälitzsee abbiegen und rund zwei Kilometer zu einer Wendemarke paddeln im ständigen Bewusstsein, dass wir die gleiche Strecke wenig später wieder zurück müssen. Einen Teilnehmer der Marathonstrecke können wir gerade noch davon abhalten, es uns gleich zu tun und weisen ihm den richtigen Weg, den wir nach einer guten halben Stunde „Umweg“ schließlich auch selbst nehmen dürfen. Da ich viel zu wenig gegessen habe, hängt mir der Magen in der Kniekehle und ich muss mich stark konzentrieren, sauber zu paddeln.
Nach Kleinem Pälitzsee und Canower See wartet die Canower Schleuse mit einer erneuten Umtragung auf uns. Jetzt legt der omnipräsente Regen nochmal eine gehörige Schippe drauf. Es kommt starker Wind auf und der Regen prasselt auf uns nieder. Der Wind kommt jetzt direkt aus West-Nordwest, unserer Fahrtrichtung. Wir paddeln mit schweren Schlägen zurück Richtung Diemitzer Schleuse, an der eine ganze Reihe weiterer psychologischer Tiefschläge auf uns warten: einer unserer Mitstarter, dessen Rückseite wir gegen 8:00 Uhr in der Ferne entschwinden haben sehen, paddelt nach seinem Zieleinlauf von dannen. Genau wie die Marathonfahrer ist er mit seinen 62 km schon durch. Von uns werden ebenfalls Zielfotos gemacht. Super Sache – aber wir müssen noch ein gutes Stück.

Keine halben Sachen

Jetzt liegt noch die Halbmarathonstrecke vor uns, die die 62 km komplettieren soll. Auf der Suche nach der Umtragestelle sehen wir links neben der Schleuse eine winkende Person in TKV-grün mit gelbem Schirm. Daniel hat hier offenbar schon eine ganze Weile gewartet, um uns jetzt beim Umtragen behilflich zu sein. Bei der sehr langen Umtragung kommt uns diese Hilfe gerade recht. Wir kündigen unsere endgültige Rückkehr für in ca. drei Stunden an – drei Stunden… es ist ja nicht so, dass wir schon sechseinhalb im Boot gesessen hätten.
Sowohl im großen Peetsch- als auch im Vilzsee halten wir uns gleich rechts und fahren nördlich auf die Umtragestelle an der Fleether Mühle zu. Wir versuchen die Motivation durch die Feststellung, dass es die letzte sein wird, aufrecht zu erhalten. Der Wind bläst weiterhin spürbar aus Nordwest. Auf dem Rätzsee finden wir wenig Schutz und müssen uns so konzentrieren, mit unseren Skeg-Booten den Kurs zu halten. Zudem zieht sich der See wie Kaugummi.
Am nördlichsten Punkt stößt ein unverhoffter Begleiter zu uns – die Sonne. Jetzt wird mir wieder bewusst, dass wir durch eine herrliche Landschaft paddeln. Anstrengung und Dauerregen hatten mich das lange ausblenden lassen. Deutlich besser gelaunt geht es jetzt wieder südlich zum Gobenowsee. In gebührendem Abstand begleiten uns zwei Boote der Wasserwacht. So langsam dürften wir die letzten auf dem Wasser sein.
Im Gobenowsee heißt es dann links zum Wendefloß, das wir bereits heute morgen zum ersten Mal passiert haben. Auf der Strecke haben wir zum ersten Mal Rückenwind. Die Freude darüber wird allerdings durch die Tatsache getrübt, dass wir den natürlich wenig später direkt von vorn zu bewältigen haben. Zudem paddeln wir jetzt in die tiefstehende Sonne und erkennen faktisch nichts, da wir nicht unsere Sonnenbrillen aus den Tagesluken herausholen wollen. Ich freue mich daher über jeden Schatten, den die Bäume hin und wieder werfen.
Zurück auf dem Gobenowsee halten wir uns links und finden trotz Sonne den Kanal zum Labussee. Von vorn kommt uns irgendwann ein Paddler entgegen. Kontur und Paddelstil kommen mir bekannt vor, das Boot nicht. Schlagartig hebt sich unsere Stimmung, als wir ein vertrautes „Aloha!“ vernehmen. Daniel hat sich in ein Testboot gesetzt und ist uns entgegengepaddelt. Auf den letzten vier Kilometern begleitet er uns. Das motiviert nochmal ungemein, sodass wir relativ beschwingt ins Ziel einlaufen, an dem sich schon der Rest der TKV-Truppe versammelt hat und uns herzlich in Empfang nimmt. Jetzt gibt es noch ein paar richtige Zielfotos, auf denen wir sicher auch ein wenig entspannter gucken. Es dürften auch die einzigen ohne Regen sein.

Biber_02

Nachklapp: Von Start und Ziel habe ich noch Fotos mit freundlicher Genehmigung des Teams von Biber-Tours eingefügt.

Nachklapp #2: Daniel hat die Halbmarathon-Distanz auf der TKV-Seite beschrieben.