(Fast) 100 – In großem Bogen rund Potsdam

Potsdam_100So manche Tour wurde im TKV ja bereits als Schinderei verschrien. Mir ist das nicht genug und ich bilde mir ein, eine weitere Langstreckentour wäre noch eine gute Vorbereitung für den Hiddenseemarathon in zwei Wochen. Also klingelt mein Wecker an einem Samstagmorgen einmal mehr deutlich früher als unter der Woche. Mit reichlich Müsliriegeln und Bananen auf dem Deck sowie 500 g Bananenquark im Bauch lege ich um 6:15 Uhr am TKV ab. Die Stimmung ist herrlich und der Tegeler See macht in der Morgensonne einiges her. Hier und die Havel entlang lümmeln bereits erstaunlich viele Angler rum… Über die Spandauer Havel geht es Richtung Wannsee. Die Havel hat einiges an Strömung – zeitweilig fahre ich 12 km/h. So fahre ich nicht wie gewohnt durch Klein Venedig, sondern bleibe im drögen Kanal und lasse mich schieben. An Grunewaldturm, Pfaueninsel und Sacrower Heilandskirche vorbei geht es die Havel runter in den Sacrow-Paretzer Kanal. Ich habe mir vorgenommen, zwei längere Touren, die ich in der Vergangenheit bereits häufiger gefahren bin, kombiniert an einem Tag zu fahren. Mit der Griebnitzsee-Tour und der Runde um Potsdam gibt das ziemlich genau 100 km. Schöne Zahl…

Auch hier im Kanal strömt es gut, sodass ich schon nach fünf Stunden den Abzweig Richtung Werder erreiche. 40 km sind jetzt bereits auf dem Tacho. Ein 8er Schnitt lässt mich optimistisch in die Zukunft blicken. Nur habe ich bisher immer zwei Punkte ausgeblendet: ab jetzt gibt es gute 15 km Gegenwind der Stärke 4 und ab jetzt paddele ich gegen die Strömung. Meine Geschwindigkeit sinkt proportional zu meiner Laune. Immerhin überhole ich diverse Paddler, die es deutlich ruhiger angehen lassen. Kein großer Trost. Der eigentlich geplante Stop in Werder fällt aus. Erst will die Gegenwindstrecke hinter mich bringen – Psychologie und so… Endlich erreiche ich den Schwielowsee und biege in den kleinen Kanal zum Petziensee. Hier ist es windstill, aber es strömt mir deutlich entgegen. Entkräftet steuere ich eine der noch wenigen freien Buchten an und mache eine kurze Pause. Allzu lange will ich aber nicht bleiben. Ein gutes Stück liegt ja noch vor mir.

Griebnitzsee

Den Templiner See hinauf geht es durch Potsdam bis irgendwann endlich die Glienicker Brücke in Sicht kommt. Rechts biege ich ein Richtung Griebnitzsee, wo ich nach 10 Stunden endlich die 70 km vollmache. Ich mache eine weitere kurze Pause, bevor es weiter geht. Auf den folgenden Kilometern mache ich immer wieder kurze Pausen im Boot, lehne mich zurück und entspanne Rücken und Hände. Auf der folgenden Strecke über Pohlesee, Kleinen Wannsee und Großen Wannsee sinkt die Motivation immer weiter. Irgendwie war der letzte Müsliriegel auch nicht der beste Kauf. Direkt nach der schmalen Durchfahrt bei Schwanenwerder mache ich erneut eine Pause. Ich muss dringend mal meine Beine ausstrecken und den Rücken entlasten. Kurz schlafe ich sogar ein, bevor es weiter geht Richtung Schleuse Spandau. Klein Venedig spare ich mir wieder – irgendwie verkraftet meine Psyche den Gedanken an einen Umweg gerade nicht, auch wenn dort die Strömung unter Umständen geringer ist…

Kurz vor der Schleuse steht am Rand einer der obligatorischen Angler. Ich mustere ihn, weil er einem Bekannten verdammt ähnlich sieht. Er bemerkt dies offenbar und meint nur: „Na, endlich auf’m Rückweg?“ Außer einem kurzen „ja“ und einem blöden Blick bekomme ich nicht viel heraus. „Ick stand heute morgen da drüben.“ meint er und zeigt auf die andere Uferseite, von wo ihn ein Stadtfest vertrieben hat. Blöder Blick wird zu einem breiten Grinsen und deutlich entspannter und motivierter geht es jetzt durch die Schleuse auf die letzten knapp 8 km. Ich beschließe, doch nicht mit dem Paddeln aufzuhören, den Hiddensee-Marathon doch nicht abzusagen und sowieso und überhaupt… Durch den direkten Weg statt durch Klein Venedig fehlen mir beim Eintreffen im Verein kurz vor 21:00 Uhr zwei wertvolle Kilometer. Endstand sind 98 km – aber wer wird denn kleinlich sein?

Das ist übrigens eine traumhafte Strecke, die man aber sinnvollerweise besser an zwei bis drei Tagen fahren sollte…

Brandungspaddeln in Sankt Peter-Ording (EPP 3)

Auf das Brandungspaddeln hatte ich mich beim EPP 3 besonders gefreut. Nachdem der Termin wetterbedingt (in diesem Jahr war es ja ewig lange ewig kalt) in den Juni verlegt worden war, geht es heute nun endlich los. Wir sind letzte Nacht zu später Stunde in Sankt Peter-Ording angekommen und haben die Zelte im Dunkeln aufgebaut. So langsam erwacht nun alles um uns herum und wir sehen, wer sonst noch so dabei ist: es gibt das ein oder andere Wiedersehen mit Teilnehmern der Spiekeroog-Tour und des Theoriekurses. Nach den üblichen Morgenritualen und ein paar Trockenübungen an Land geht es endlich aufs Wasser. Naja… erstmal heißt es Ewigkeiten über den Deich bis zum Wasser rollern – nachdem das aber geschafft ist, suchen wir uns ein schönes Plätzchen zwischen den Kitesurfern.EPP3_Brandung_01

Wir gehen in Kleingruppen auf’s Wasser. Uns wird Bernd zur Seite stehen – er soll genauso verspielt sein wie ich, was sich später als wahr herausstellen soll. Der Wind bläst kräftig mit Stärke 5, was ziemlich schöne Wellen produziert. Wir stürzen uns mitten in die Brandungszone und fahren am langen Sandstrand entlang. Jede brechende Welle wird genutzt, um flache und hohe Stütze zu üben. Dabei kommen einige spannende Seitwärtssurfs heraus. Natürlich wird auch noch „vernünftig“ gesurft und Team Bernd beweist eine 100%ige Rollquote in der Nordseebrandung.EPP3_Brandung_03 EPP3_Brandung_02  EPP3_Brandung_05 EPP3_Brandung_04 EPP3_Brandung_07 EPP3_Brandung_06 EPP3_Brandung_24 EPP3_Brandung_23 EPP3_Brandung_22 EPP3_Brandung_21 EPP3_Brandung_20 EPP3_Brandung_19 EPP3_Brandung_18 EPP3_Brandung_17 EPP3_Brandung_16 EPP3_Brandung_15 EPP3_Brandung_14 EPP3_Brandung_13 EPP3_Brandung_12 EPP3_Brandung_10 EPP3_Brandung_09

Nach dieser ersten Tuchfühlung mit den Nordseewellen geht es erstmal zurück auf den Zeltplatz. Während der Rest anschließend bei einem Landgang Latte Macchiato schlürfen geht, schnappe ich mir meinen „Kleinen“. Zum Spielen habe ich nämlich noch den Eskimo Xeno auf dem Dach gehabt, der heute das erste Mal Salzwasser sehen soll. Zwischenzeitlich haben Wind und Wellen deutlich zugenommen. Die Wellen sind höher und die Brecher kommen in immer kürzeren Abständen. Das Durchbrechen der Brandungszone fällt mir also extrem schwer. Im Leninschen Geist („Ein Schritt vorwärts, zwei zurück“) schlagen mir die Brecher immer wieder mit voller Wucht gegen die Brust und werfen mich meterweit zurück. Endlich habe ich es geschafft und paddle weiter raus. Der Xeno macht sich gut in der Brandung, ist enorm wenig und surft wie ein großer. Ich fahre auf eine brechende Welle zu, drehe auf dem Wellenkamm auf der Stelle. Etwas, was mit dem Seekajak unmöglich sein dürfte: die Welle nimmt mich mit. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus, als ich Ewigkeiten später immer noch wie festgenagelt auf der Welle sitze. Dumm nur, dass ich damit wieder fast am Strand bin. Das will ich nochmal hinbekommen! Paddle also wieder gegen die brechenden Wellen an. Eine besonders heftige, schräg zu meinem Boot einlaufende Welle schmeißt mich um. Ich bin völlig orientierungslos und habe nur noch einen Reflex: raus aus dem Boot. So ein Mist, unfreiwillig geschwommen bin ich schon lange nicht mehr. Also heißt es schwimmenderweise zurück zum Strand. Die Wellen hauen immer wieder in das Boot, das so immer schwerer wird. Gefühlte Ewigkeiten später komme ich am Strand an und leere unter enormen Kraftaufwand das mittlerweile vollgelaufene Wildwasserboot. Einen Versuche unternehme ich noch. Das gleiche Spiel. Die Wellen hauen mir gegen die Brust und drücken mir die Luft aus der Lunge. Neben mir versucht ein Surfer das gleiche Spiel flachliegend auf seinem Board – ebenso erfolglos. Nach mehreren vergeblichen Versuchen haut mich wieder eine Welle um – ich bin jetzt deutlich weiter draußen und schwimme wieder an Land. Das dauert nochmal deutlich länger und ich bin absolut entkräftet. Hier siegt zur Abwechslung mal die Vernunft. Ich ziehe das Boot zum Bootswagen und von dannen.

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Am Sonntag steht eine weitere Runde in der Brandung an. Diesmal wieder in der Gruppe und im Seekajak. Der Wind weht weiterhin mit Stärke 6. Die Wellen kommen dicht hintereinander. Wie durch Butter schneide ich heute durch die Brandungswellen – wäre das nur gestern abend im Xeno genau so einfach gewesen. Die Bedingungen sind noch surffreundlicher als gestern. Ich lege einige geniale Seitwärtssurfs hin. Bernd gibt mir zudem noch ein paar eigentlich einleuchtende Tipps für’s Surfen. Mir wird klar, warum ich in der Vergangenheit dabei häufiger mal gekentert bin – nunja, man sollte darauf achten, stets zur richtigen Seite zu stützen, auch wenn sich das Boot langsam dreht. Unter anderem gelingt mir so ein herrlicher Surf, bis es mich irgendwann langsam querstellt. Ich stütze zur Abwechslung mal zur richtigen Seite, surfe seitwärts. Die Welle dreht mich wieder gerade und ich surfe weiter. Schon erwähnt, dass Seekajak fahren herrlich ist?

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Vom Eise befreit – schön wär’s: Aller-Hochwasser-Rallye 2013

Da setzt man einmal auf den Klimawandel und freut sich Ende März auf frühsommerliche Temperaturen inmitten der blühenden Bananenhaine im Aller-Leine-Tal, da überrascht der Spaßkopp mit einer Kältewelle allererster Kajüte. Trotzdem steht auch in diesem Jahr die Aller-Hochwasser-Rallye als Saisonauftakt auf dem Programm. Während im letzten Jahr fast T-Shirt-Wetter war, sind diesmal für uns Trockenanzüge mit ordentlich Fleece drunter Pflicht.

Start Aller Hochwasser RallyeFrühmorgens auf dem Weg zum Bustransfer zur Einsatzstelle erhöht das NDR2-Team die Laune mit der Information, dass dies der kälteste 23. März seit 1899 ist. Die 1000 kcal Müsli im Bauch grummeln. Die Stimmung im Bus steigt, als wir einen Schwarm Kraniche passieren, die auf den Feldern um Verden pausieren. An deren Stelle wäre ich ja im Süden geblieben. Muss aber jeder selber wissen.

Bei -3 Grad Lufttemperatur packen wir an der Einsatzstelle in Hodenhagen unsere Boote fertig. Immerhin gewinnt die Sonne zunehmend an Kraft. Der Wind kommt mit 5er Stärke aus Ost, was ziemlich ideal ist und meistens Rücken- oder leichten Seitenwind verspricht… würde sich die Aller nicht auch mal nach Osten schlängeln. Als die Boote nahezu fertig sind, gibt es eine Explosion direkt über unseren Köpfen. Ich fühle mich an unsere Neujahrstour erinnert und drohe in Ohnmacht zu fallen. Schnell wird aber klar, dass es sich nur um den Startschuss handelt – also in die Boote und los!

Zwischenstop Aller Hochwasser RallyeCatharina treibt schon rasant die Aller hinunter, als ich im Boot bin und ziemlich schnell einen Anfängerfehler bemerke. Beim letzten Hallentraining in der Woche zuvor hat offenbar jemand mit noch kürzeren Beinen meine Fußrasten verstellt. Schon nach der ersten Kurve ist das erste Bein eingeschlafen. Ich kündige also sofort an, dass wir bei nächster Gelegenheit wieder ranfahren müssen. Catharinas Vermutung einer schwachen Blase weise ich empört von mir. Also laufen wir das nächste Kehrwasser an, ich raus aus dem Boot, Fußstützen 10 cm nach vorn und völlig verdreckt wieder rein ins Boot. Zu diesem Zeitpunkt ist meine Spritzdecke bereits völlig vereist. Wer hat nochmal behauptet, Paddeln würde Spaß machen?

Aller Hochwasser Rallye SchneeJetzt aber wirklich los! 54 km liegen noch vor uns. Wo wir im letzten Jahr die ersten sprießenden Knospen bewundern durften, liegt jetzt noch Schnee. Das Wetter hat wohl so manchen abgeschreckt. Das Feld ist deutlich kleiner, aber immerhin noch dreihundert Mitstarter sollen es sein. Ziemlich respektabel! Wind und Strömung treiben uns jetzt mit guter Geschwindigkeit Richtung Verden. Nach zwei Stunden Paddelei durchs norddeutsche Flachland ist die erste Snackpause angesagt. Auf Aussteigen hat keiner von uns beiden Lust, da wir bei Temperatur und starkem Wind sicher schnell auskühlen würden – also wird auf dem Wasser gegessen, während uns die Strömung weitertreibt. Catharina hält sich an ihre gefrorenen Bananen, während für mich Schokoriegel und Wasser-Sorbet aus der Trinkblase auf der Menükarte stehen. Fun fact: ein Snickers hat im gefrorenen Zustand wohl genug Luftblasen, dass es mit kräftigen Bissen in viele Einzelteile zerfällt, während das günstigere Lidl-Generikum einen soliden Klumpen aus gefrorenem Süßzeug bildet, den man gewaltsam zertrümmern und dann lutschen muss.

IMG_0023Wie schon erwähnt fließt die Aller auf ihrem Weg nicht immer Richtung Nordwest, sondern auch mal direktemang nach Osten. Man erinnere sich: daher kommt der Wind mit Stärke fünf. Und wenn Wind auf gegenläufige Strömung trifft, gibt das Wellen. Hier wird das Feld plötzlich sehr viel dichter. Viele suchen ihr Heil am Flussrand. Allerdings ist dort die Strömung geringer und in den Kehrwassern sogar gegenläufig. Die Stunde der Seekajaks ist gekommen. Elegant tanzen sie auf den Wellen und nutzen dabei die Strömung wohl ideal aus. Ebenfalls als von Vorteil erweist sich hier mein Grönlandpaddel, was mir einige neidische Kommentare einbringt. Unter diesen Bedingungen bietet es tatsächlich nicht so viel Windangriffsfläche wie die Euro-Löffel. Leider war zu diesem Zeitpunkt der Auslöseknopf meiner Kamera eingefroren und ich hatte nicht so richtig Muße, mit meinen durch den Wind ebenfalls gefrorenen Händen weiter zu versuchen, die Knipse in Betrieb zu nehmen. Der ein oder andere schien sich dieses Stück ein wenig länger gewünscht zu haben. Eine Abstimmung hätte wohl das Gegenteil ergeben. Später hören wir, an dieser Stelle seien auch zwei Paddler gekentert und mussten aus dem Wasser gefischt werden.

Aller Hochwasser Rallye Cockpit vereistWir folgen weiter den Windungen der Aller, die nur noch einmal ein kurzes Stück nach Ost mit dem entsprechenden Wellengang für uns bereithalten. Bei Kilometer 40 legen wir einen kurzen Landgang ein, da mein Sitzfleisch nicht mehr die gewohnte Kondition aufweist. Mein Sitzkissen hatte ich – ganz Ehrenmann – verborgt. Wir laufen in einen kleinen Hafen ein, in dem wir auch im letzten Jahr kurz pausiert haben. Kurz die Beine vertreten und eine Kleinigkeit gegessen, legen wir auch schon wieder ab. Waren die Hände eben noch recht warm, kühlen sie beim Boote tragen völlig aus. Ich beleidige mehrfach meine völlig vereiste Spritzdecke, die sich mit den steifen Fingern nicht schließen lässt. Der Wind treibt uns immer wieder fast unter eine Steganlage für Motorboote. Statt mir weitere Schimpfwörter für Wetter und Bootszubehör auszudenken, suche ich mir einen sicheren Halt und wärme die Hände notdürftig zwischen meinen Beinen. Mit der wieder gewonnenen Flexibilität lässt sich auch die Spritzdecke schließen. Zügig paddeln wir weiter, um nicht weiter auszukühlen. Jetzt sind es noch knapp 15 Kilometer, die sich ein wenig ziehen, aber am Ende kommt das Vereinshaus des WSV Verden dann doch plötzlicher als gedacht. Das Läuten der Glocke wird dicht gefolgt von einem ehrlichen Korn und hilfsbereite Helfer tragen unsere Boote an Land. Trotz klirrender Kälte war das eine herrliche Tour und ein von den Verdener Paddlern gewohnt gut organisierter Start in die neue Saison.

Nachklapp: Auf der Internetseite der Verdener Kreiszeitung findet sich eine Bilderstrecke zur Veranstaltung. Die Bilder 7 bis 12 zeigen unsere Ankunft in Verden.

Aller Hochwasser Rallye Eiszapfen

Die Letzten sind nur die langsamsten Gewinner – 1000Seen-Marathon 2012

Inuit sollen ja unzählige Wörter für Schnee haben. Auch wenn das offenbar so nicht stimmt, wird man sich ähnliches wohl irgendwann über Mecklenburger und Regen erzählen. Wir hatten am Samstag jedenfalls eine ganze Menge davon. Aus allen denkbaren Richtungen und mit verschiedensten Intensitäten. Die Nass-Kälte beim diesjährigen 1000Seen-Marathon hat dem Spaß allerdings keinen Abbruch getan.

Jeder Marathon beginnt mit dem ersten Paddelschlag

Zu neunt angereist teilt sich das Team „TKV und friends“ am Morgen des Marathons grob in zwei Gruppen: Catharina und mich hat der Ehrgeiz gepackt und wir starten auf der 62-km-Langstrecke, dem Rest reicht der Halbmarathon. Die letzten Stunden vor dem Aufstehen hat es bereits beharrlich aufs Zeltdach geprasselt. So rollern wir zu zweit kurz nach Sonnenaufgang an einem frischen Oktobermorgen und im Regen unsere Seekajaks Richtung Diemitzer Schleuse. Die Gruppe, die sich hier versammelt hat, ist recht überschaubar. Schnell wird klar: wenn wir durchhalten, sind wir in jedem Fall in den Top10! Aber bis dahin ist es noch ein gutes Stück Weg.

Nachdem die Boote alle nebeneinander aufgereiht sind, startet das Rennen pünktlich um 8:00 Uhr. Man merkt schnell die unterschiedlichen Ambitionen und Leistungsstände. Auf dem Labussee ist das Feld schon deutlich auseinandergezogen. Als wir um die nördliche Landzunge biegen, sind alle Mitpaddler außer Sicht und wir müssen uns allein zurecht finden. Schnell ist die Verbindung zum Gobenowsee gefunden. Von hinten nähert sich eines der allgegenwärtigen Boote der Wasserwacht und wir grüßen uns freundlich. Den beiden Insassen dürfte noch kälter sein als uns, die wir wenigsten Bewegung bekommen. Im Klenzsee passieren wir das erste Kontrollfloß. Das ist sehr praktisch, da wir dieses später am Tag als Wendemarke nochmal umrunden müssen und so wenigstens schon eine erste Orientierung haben.

Noch ein kurzes Stück trennt uns nun von der ersten Umtragestelle in Wustrow, die ungefähr die 10km-Marke bildet. Die mitgebrachten Bootswagen erweisen sich als überflüssig, da sowohl Wagen als auch Helfer parat stehen – noch lehnen wir die Hilfe dankend ab. Auch auf dem anschießenden Plätlinsee können wir unsere Mitpaddler in der Ferne nicht mehr erspähen. Offenbar haben sie schon einiges an Vorsprung.

Grüne Hölle Schwaanhavel

Am Ende des Plätlinsees wartet die Schwaanhavel auf uns – ein sehr idyllisches, vor sich hin mäanderndes Wassergässchen, das wir von einer Tour vor zwei Jahren schon kennen. Für einen Marathon ist diese Strecke eigentlich herzlich ungeeignet, da das Wasser extrem flach und schmal ist und zusätzlich alle Nase lang durch umgestürzte Baumstämme und Äste verstellt wird. Insbesondere im ersten Drittel habe ich mit dem flachen Wasser extrem zu kämpfen. Da mögen sich Schnellpaddler beschweren, dass sich ihr Boot festsaugt, oder ähnliches. Mein Problem ist, dass ich mein Grönlandpaddel nicht mal zu einem Drittel eingetaucht bekomme, wenn ich nicht zum Gondoliere werden will. Und für flache Schläge ist rechts und links einfach nicht genug Platz. Das heißt für mich einen guten Kilometer mit echt erbärmlichen Schlägen voranzukommen.

Eigentlich wollten wir zumindest so schnell sein, dass uns die später und mit leicht anderem Streckenverlauf gestarteten Marathon-Paddler nicht ausgerechnet hier einholen. Das funktioniert allerdings nicht, hören wir doch bald die ersten Stimmen hinter uns, die sich über die Hindernisse beklagen. Wir warten natürlich möglichst weit außen und lassen die Rennkanuten passieren. Das verschafft uns Gelegenheit, sie dabei zu beobachten, wie sie faktisch nur mit Stützen um die im Wasser hängenden Äste Slalom fahren. Die weiteren zwei Kilometer über schaue ich immer wieder auf mein GPS in der Hoffnung, dass wir bald durch sind. Dabei zeigt sich allerdings ein ähnliches Phänomen wie bei Teewasser, das nicht kocht, solange man zuschaut. Die Strecke zieht sich gefühlte Ewigkeiten, bis wir endlich die Havel erreichen. Ich bin völlig ausgelaugt, aber zumindest froh, dass ich mich jetzt wieder um einigermaßen saubere Paddelschläge bemühen kann. Nach und nach komme ich wieder in den Rhythmus – aber Catharina setzt sich immer wieder deutlich ab.

Portagen und Psychologie

Eigentlich hatten wir beim Fischer an der Holzbrücke zwischen Drewen- und Finowsee nach ca. 20 km eine Rast geplant. Wir sind uns aber beide sofort einig, dass wir die ausfallen lassen, weil jetzt keiner das Boot verlassen und Gefahr laufen möchte im Regen völlig auszukühlen. So geht es weiter auf Havel, Wangnitz-, Großem Priepert- und Ellenbogensee Richtung Schleuse Strasen. Ab jetzt überholen uns immer wieder Marathonis in Formation. Die Schleuse Strasen im Blick wird gerade eine Yacht hereingelassen. Wir gehen daher in den Spurt über, da wir geplant hatten, statt Umtragen passende Gelegenheiten zum Schleusen zu nutzen. Knapp hundert Meter vor dem Ziel schaltet der Schleusenwärter allerdings auf Rot und unsere Anstrengung war vergebens. Wir nehmen daher dankbar die Unterstützung der Helfer beim Umtragen an und legen eine kurze Pause ein.
Nach der Schleuse haben die Organisatoren für uns eine weitere psychologische Herausforderung eingebaut: wir müssen in den Großen Pälitzsee abbiegen und rund zwei Kilometer zu einer Wendemarke paddeln im ständigen Bewusstsein, dass wir die gleiche Strecke wenig später wieder zurück müssen. Einen Teilnehmer der Marathonstrecke können wir gerade noch davon abhalten, es uns gleich zu tun und weisen ihm den richtigen Weg, den wir nach einer guten halben Stunde „Umweg“ schließlich auch selbst nehmen dürfen. Da ich viel zu wenig gegessen habe, hängt mir der Magen in der Kniekehle und ich muss mich stark konzentrieren, sauber zu paddeln.
Nach Kleinem Pälitzsee und Canower See wartet die Canower Schleuse mit einer erneuten Umtragung auf uns. Jetzt legt der omnipräsente Regen nochmal eine gehörige Schippe drauf. Es kommt starker Wind auf und der Regen prasselt auf uns nieder. Der Wind kommt jetzt direkt aus West-Nordwest, unserer Fahrtrichtung. Wir paddeln mit schweren Schlägen zurück Richtung Diemitzer Schleuse, an der eine ganze Reihe weiterer psychologischer Tiefschläge auf uns warten: einer unserer Mitstarter, dessen Rückseite wir gegen 8:00 Uhr in der Ferne entschwinden haben sehen, paddelt nach seinem Zieleinlauf von dannen. Genau wie die Marathonfahrer ist er mit seinen 62 km schon durch. Von uns werden ebenfalls Zielfotos gemacht. Super Sache – aber wir müssen noch ein gutes Stück.

Keine halben Sachen

Jetzt liegt noch die Halbmarathonstrecke vor uns, die die 62 km komplettieren soll. Auf der Suche nach der Umtragestelle sehen wir links neben der Schleuse eine winkende Person in TKV-grün mit gelbem Schirm. Daniel hat hier offenbar schon eine ganze Weile gewartet, um uns jetzt beim Umtragen behilflich zu sein. Bei der sehr langen Umtragung kommt uns diese Hilfe gerade recht. Wir kündigen unsere endgültige Rückkehr für in ca. drei Stunden an – drei Stunden… es ist ja nicht so, dass wir schon sechseinhalb im Boot gesessen hätten.
Sowohl im großen Peetsch- als auch im Vilzsee halten wir uns gleich rechts und fahren nördlich auf die Umtragestelle an der Fleether Mühle zu. Wir versuchen die Motivation durch die Feststellung, dass es die letzte sein wird, aufrecht zu erhalten. Der Wind bläst weiterhin spürbar aus Nordwest. Auf dem Rätzsee finden wir wenig Schutz und müssen uns so konzentrieren, mit unseren Skeg-Booten den Kurs zu halten. Zudem zieht sich der See wie Kaugummi.
Am nördlichsten Punkt stößt ein unverhoffter Begleiter zu uns – die Sonne. Jetzt wird mir wieder bewusst, dass wir durch eine herrliche Landschaft paddeln. Anstrengung und Dauerregen hatten mich das lange ausblenden lassen. Deutlich besser gelaunt geht es jetzt wieder südlich zum Gobenowsee. In gebührendem Abstand begleiten uns zwei Boote der Wasserwacht. So langsam dürften wir die letzten auf dem Wasser sein.
Im Gobenowsee heißt es dann links zum Wendefloß, das wir bereits heute morgen zum ersten Mal passiert haben. Auf der Strecke haben wir zum ersten Mal Rückenwind. Die Freude darüber wird allerdings durch die Tatsache getrübt, dass wir den natürlich wenig später direkt von vorn zu bewältigen haben. Zudem paddeln wir jetzt in die tiefstehende Sonne und erkennen faktisch nichts, da wir nicht unsere Sonnenbrillen aus den Tagesluken herausholen wollen. Ich freue mich daher über jeden Schatten, den die Bäume hin und wieder werfen.
Zurück auf dem Gobenowsee halten wir uns links und finden trotz Sonne den Kanal zum Labussee. Von vorn kommt uns irgendwann ein Paddler entgegen. Kontur und Paddelstil kommen mir bekannt vor, das Boot nicht. Schlagartig hebt sich unsere Stimmung, als wir ein vertrautes „Aloha!“ vernehmen. Daniel hat sich in ein Testboot gesetzt und ist uns entgegengepaddelt. Auf den letzten vier Kilometern begleitet er uns. Das motiviert nochmal ungemein, sodass wir relativ beschwingt ins Ziel einlaufen, an dem sich schon der Rest der TKV-Truppe versammelt hat und uns herzlich in Empfang nimmt. Jetzt gibt es noch ein paar richtige Zielfotos, auf denen wir sicher auch ein wenig entspannter gucken. Es dürften auch die einzigen ohne Regen sein.

Biber_02

Nachklapp: Von Start und Ziel habe ich noch Fotos mit freundlicher Genehmigung des Teams von Biber-Tours eingefügt.

Nachklapp #2: Daniel hat die Halbmarathon-Distanz auf der TKV-Seite beschrieben.

Seefahrt tut not – Herbstwochenende auf Wangerooge

Die Windvorhersagen stabilisieren sich im Laufe der Woche auf gute fünf Windstärken. Das ist mehr als wir uns für unsere erste Tour auf die Nordsee gewünscht hatten. Und dann kommt dieser Wind auch noch vom Festland, sodass wir uns nicht mal große Hoffnung auf ordentliche Brandung machen können. Trotzdem werden die Trockenanzüge ausgemottet und es geht euphorisch, aber auch respektvoll Richtung Nordsee.

Tag 1 – Nasses Willkommen

Manchmal muss man sich schon fragen, ob die skeptische Bekanntschaft nicht doch Recht hat. Lufttemperatur 15 Grad, Wassertemperatur knapp darunter, das Ganze bei Wind und Welle in einem kleinen Boot auf der Nordsee? Das normale Verständnis von Erholung sieht anders aus. Wir wassern jedenfalls an einem schönen Septembermorgen im Hafen von Neuharlingersiel unsere Seekajaks. Wir sind wohlpräpariert und in Begleitung von Gero, der hier um die Ecke groß geworden ist und einiges an Salzwasser-Erfahrung mitbringt.

Sofort als wir den Seekajak Wangerooge Spiekeroog Grönlandpaddel WattHafen verlassen, sehen wir auch schon unser Ziel – den Westturm auf Wangerooge, der sich schon auf diese Entfernung deutlich von der Inselkontur abhebt. Wir nutzen die Strecke für eine erste Orientierung im Wattenmeer. Gero weist immer wieder auf Orientierungspunkte, Landmarken und Grundregeln der Navigation hin. Ohne uns groß anzustrengen, schippern wir so mit einem 6er-Schnitt am Fahrwasser entlang Richtung Nordost. Eine eingestreute Kenterübung demonstriert uns denn auch, welche Kräfte hier wirken. Während Gero im Wasser treibt, werden wir vom Wind unerbittlich weiter gedrückt und kommen kaum dagegen an und zum Gekenterten zurück. Bei der Lenzung seines Bootes sehen wir Pricke um Pricke an uns vorbeiziehen. Neben diesen Partnerübungen bietet die Überfahrt auch Gelegenheit, in bewegter See die ein oder andere Technik auszuprobieren. Meine erste Nordseerolle gelingt erfreulicherweise – es sollte nicht die letzte bleiben.

Seekajak Wangerooge Spiekeroog Grönlandpaddel Watt WelleWährend wir am Fahrwasserrand die Ostseite von Spiekeroog passieren, stecken immer wieder neugierige Seehunde neben unseren Booten ihre Köpfe aus dem Wasser und begutachten uns und unsere Kajaks. Allerdings sind sie recht fotoscheu und bereits verschwunden, sobald die Kamera gezückt und ausgelöst ist. Auf dem Weg ins Gatt versuche ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit die von hinten kommenden Wellen zu reiten. Das heißt auf Geschwindigkeit paddeln, um im richtigen Moment den Wellenrücken unter dem Kiel zu haben. Das gibt zwar ordentlich Vortrieb, aber auf eigenes Paddeln kann ich nicht verzichten und ich verliere die Welle jeweils nach ein paar Sekunden wieder.

Seekajak Wangerooge Spiekeroog Grönlandpaddel Watt WelleDas Gatt selbst ist sehr aufgewühlt. Wo es etwas flacher ist, sieht man Wellen brechen und die Gischt beeindruckend hoch spritzen. Wir paddeln zunächst direkt auf den Westturm zu, um zu sondieren, ob man am nahe gelegenen Strand anlanden kann. Die Wellen werden allerdings immer höher und durch Steine am Ufer ist die Gemengelage zu unsicher. Wir drehen daher ab und peilen den Hafen an der Südseite Wangerooges an. Die Wellen kommen jetzt von der rechten Seite und schlagen immer heftiger gegen das Boot. Irgendwann rollt ein Exemplar mit einer Höhe von einem guten Meter heran, wie ich es noch nie direkt von der Seite bekommen habe. Im Näherkommen sehe ich, wie sich auf dem Wellenkamm immer mehr Luftblasen bilden und sich das Brechen schon deutlich abzeichnet. Vorhin fühlte ich mich bei meinen Stützübungen eigentlich gut gerüstet – also auch jetzt flache Stütze rechts. Im nächsten Moment wird es nass und die Sicht sehr getrübt. Meine erste unfreiwillige Kenterung und das dann natürlich auch bei entsprechendem Wellengang. Wie sicher schon hundertmal geübt, bringe ich das Paddel in Position für die Rolle, Paddelschlag und Hüftknick sitzen. Im nächsten Moment bin ich auch schon wieder an der Luft. Damit haben sich Hallentraining und Übungen auf dem Tegeler See schließlich bezahlt gemacht. Mich bei dem Wellengang wieder ins Boot zu bringen, wäre sicher nicht so einfach gewesen – da ist eine sichere Rolle Gold wert.

Keine drei Minuten später wiederholt sich das gleiche Spiel. Auch die weitere Welle bricht in unmittelbarer Nähe, meine Stütze taugt nicht und ich liege im Wasser. Hochrollen klappt erneut unproblematisch. Meine bessere Hälfte stützt ein paar Bootslängen weiter links jede Welle problemlos und schaut immer wieder verdutzt auf die Unterseite meines Bootes. Da ich einsehe, dass meine flache Stütze nicht funktioniert, nehme ich den dritten Brecher mit der hohen Stütze und pariere damit die Kraft der Welle problemlos. Ab jetzt beginnt das Spiel mit den Wellen erst richtig Spaß zu machen. Vielleicht macht sich auch ein wenig Übermut breit. Ich will eine der großen Wellen surfen. Dass ich im schlimmsten Fall wieder hochrollen kann, habe ich mir ja schon bewiesen. Also drehe ich auf Südost und lasse die Wellen von hinten kommen. Genau wie vorhin paddle ich mich auf Geschwindigkeit und erwische direkt eine großartige Welle. Ohne selbst noch Vortrieb geben zu müssen, klebe ich auf dem Wellenbauch und das Wasser drückt mich mit seiner gewaltigen Kraft voran. Ich muss nur mit dem Heckruder die Richtung korrigieren. Mein erster richtiger Surf lässt Wangerooge Hafeneinfahrt Ebbe Westturm Leuchtturmmich einen Freudenschrei ausstoßen. Jetzt geht es noch mit gehörigem Sicherheitsabstand um die Hafenbefestigungsanlagen und dann laufen wir in den gut geschützten Hafen ein. Nach dem ersten Anlanden zeigt sich mir nochmal die Kraft der Wellen, die mich haben kentern lassen: meine Reservepaddel haben sich aus ihrer Halterung teilweise gelöst und die Schleppleine, die ich um den Bauch trug, ist ein Opfer der Fluten geworden. Die Freude über die erste großartige Nordseetour trübt das nicht im geringsten.

Tag 2 – Spaß im Nass

Der nächste Paddeltag beginnt früh und windig. Wir setzen pünktlich gegen 9:30 Uhr unsere Boote ein und paddeln Richtung Spiekeroog. Um die Buhne H in gehörigem Abstand zu umschiffen, heißt es zunächst direkt gegen den 4er-Wind aus Süd-Südwest zu paddeln. Das gibt erneut Gelegenheit, einige Steuer- und Stützmanöver einzustreuen. An der Nordwestspitze von Spiekeroog erblicken wir ziemlich schnell Brandungswellen, die wir natürlich nicht links liegen lassen können. Schließlich sind wir zur Nordsee wegen genau solcher Bedingungen gekommen.

Seekajak Spiekeroog BrandungDie erste Brandungszone, die wir ansteuern, wird offenbar durch das auflaufende Wasser an einer flachen Stelle erzeugt. Am Vorabend haben wir sie schon mit dem Fernglas von Wangerooge aus erspäht und freuen uns, dass wir auch jetzt ein wenig Brandung erproben können. Spielerisch fahren wir immer wieder in die Wellen und testen, was sie mit dem Boot machen und wir in der Brandung anstellen können. Nach einiger Zeit steuern wir noch stärkere Brandung an der Nordseite von Spiekeroog an. Ich paddle munter drauf los, bis Catharina neben mir ruft, dass wir überhaupt nicht vorwärts kommen. Ich nehme eine Tonne rechts in den Blick, die die ganze Zeit über an der gleichen Stelle bleibt – die Brandungswellen ziehen uns also tatsächlich zurück. Auch noch so kraftvolle Ausbruchsversuche bleiben zunächst ergebnislos, bis irgendwann dann der Befreiungsschlag doch bei beiden funktioniert. Von dieser kurzzeitigen Kraftanstrengung ein wenig erschöpft, steuern wir gleichwohl weiter auf die nächste Zone zu.

Seekajak Spiekeroog BrandungHier locken deutlich höhere, brechende Wellen. Ich will vor allem die Scharte des gestrigen Tages auswetzen und begebe mich bewusst in ähnliche Situationen mit hohen, brechenden Wellen von rechts. Diesmal klappt die flache Stütze zumindest zufriedenstellend. Ich muss mir aber eingestehen, dass da noch ordentlich Luft nach oben ist. Deutlich besser klappt weiterhin die hohe Stütze, mit der ich mich wiederholt an einer Welle festmache und gefühlte Ewigkeiten zum Ufer tragen lasse. Die erfolgreichen Rollen vom Vortrag geben Sicherheit, immer wieder recht eindrucksvolle Wellen anzusteuern. Auch hier steckt ein Seehund seine Nase neugierig aus dem Wasser und beobachtet das Treiben.

Nach einer kurzen Pause queren wir nördlich der Buhne H zurück nach Wangerooge. Wind und Wellen drücken uns in Richtung Land und damit auf die Buhnen zu. An der Uferbefestigung sieht man imposante Wellen in die Höhe schlagen. Gero gibt einen fast nördlichen Kurs vor, der uns in gebührendem Abstand an der Gefahrenzone vorbeiführt. Als wir die Buhnen im Nordwesten von Wangerooge sicher umschifft haben, paddeln wir bei einigem Wellengang aber doch verhältnismäßig entspannt Richtung Osten. Schon recht früh am Tag hatten wir uns aus Sicherheitsgründen gegen eine Umrundung der Insel entschieden.

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So steuern wir Wangerooge Dorf für eine längere Pause an. Gero landet wie gewohnt zuerst an, was mir Gelegenheit gibt, noch ein, zwei Rollen zu probieren. Bei meiner eigenen Landung komme ich immer wieder in einen guten Surf auf den doch recht eindrucksvoll brechenden Wellen. Die Wellen kommen von schräg hinten und ich steuere mit dem Heckruder gegen. Knapp 30 Meter vor dem Land unterschneide ich offenbar und die Welle schmeißt mich ins Wasser. So langsam habe ich Übung mit solchen Situationen. Das Paddel ist durch das Heckruder schon in der richtigen Haltung, schnell zur Rolle angesetzt und schon bin ich wieder oben und keine zwei Sekunden später auf der nächsten Welle. So bekommen die Wangerooger Nachsaisonler etwas Action für ihre Kurtaxe geboten. Seekajakfahren ist großartig!

Seekajak Wangerooge Bootswagen Uferbefestigung BuhneNach einer Pause mit Kaffee, Kuchen und Ausblick vom Leuchtturm schlüpfen wir wieder in die klammen Trockenanzüge und treten die Rückfahrt Richtung Westen an. Wind und Wellen haben sich zwischenzeitlich spürbar beruhigt. Trotzdem landen wir sicherheitshalber vor Buhne H an und schauen uns zunächst das Gatt aus der Ferne an. Zwischenzeitlich läuft das Wasser leicht ab, die Situation erscheint aber gut beherrschbar. Die Entscheidung für Paddeln statt Rollern fällt schnell und einstimmig. Tatsächlich ist das Umfahren der Buhne und anschließende Zurückpaddeln recht unspektakulär. Vor dem Anlanden darf natürlich das obligatorische Abschlussrollen nicht fehlen und Catharina legt bei dieser Gelegenheit ihre ersten beiden perfekten Nordseerollen hin. Nach einem spannenden und lehrreichen Tag rollern wir nun zufrieden zurück zum Westturm.

Tag 3 – Träumen bei Brot und Butter

Der dritte Tag begrüßt uns wieder mit Windstärken um die 5 aus Süd-Südwest. Dummerweise führt uns unser Kurs ebenfalls nach Süd-Südwest. Da wir auf dem Festland Unterstützung zum Holen des Autos bekommen, wählen wir als Ziel das näher gelegene Harlesiel. Das bedeutet aber immer noch knapp 11 km. Zwar hilft uns der Tidenstrom, aber der Wind ist gegen uns.

Wangerooge Watt FischkutterWir sitzen pünktlich um 10:30 in den Booten und fahren noch ein kurzes Stück Richtung Hafen Wangerooge. Das führt uns an der Stelle vorbei, bei der mich der Wellengang am ersten Tag hat kentern lassen. Heute ist das Wasser ebenfalls gut in Bewegung, im Gegensatz zu zwei Tagen vorher paddlerisch aber eher einfach. Heute ist die größte Anstrengung klar das Paddeln gegen den Wind. Hier rentiert sich das Feilen an der Technik und das Training durch viele Süß- und Salzwasserkilometer. Immer wieder achte ich bewusst auf das ein oder andere Detail meines steten Grundschlags.

Seekajak Leitdamm HarlesielDas Fahren in die Sonne und das Festland im Dunst tuen ihr Übriges für eine meditative Stimmung. Solch eine großartige See-Athmosphäre bräuchte es eigentlich viel häufiger. Leider ist dies von Berlin aus aber nicht allzu häufig möglich, damit das Seekajakfahren nicht endgültig zum Motorsport wird. Wir paddeln deutlich außerhalb des Fahrwassers bis zum Leitdamm Harlesiel und lassen Fischerboote, Ausflugsdampfer und Fähren passieren. Pünktlich wie die Maurer landen wir eine Stunde vor Hochwasser in Harlesiel an.

Fazit

Auch wenn Gero immer wieder über mein Paddel gelästert hat – das Wort Zahnstocher war sehr präsent – bin ich noch nicht bereit einzusehen, dass nicht vielmehr der Paddler an den Kenterungen Schuld war. Die Inuit sind schließlich auch nicht ausgestorben und haben es sicher mit höheren Wellen zu tun. Die Erfahrung dieses Wochenendes zeigt mir aber, dass ein wichtiges Ziel für die nächste Zeit eine sichere flache Stütze sein wird. Sehr sicher bin ich mir zudem, dass ich unter Seebedingungen mit meinem Europaddel nicht so zuverlässig hochgerollt wäre.

Wangerooge Hafen Pricke VögelZu danken ist Gero für seine besonnene und instruktive Führung dieser Tour. Dank wirklich großartiger Vorbereitung und Umsetzung haben wir unsere erste Nordseefahrt sehr erfolgreich gemeistert. Die ständige Sicherheit, dass Gero die Situation im Blick hatte, gab uns viel Gelegenheit, die eigenen Fähigkeiten zu testen und daran zu feilen. Diese drei Tage haben uns viel Lust auf Meer gemacht. Insbesondere in der Brandung hätte ich den ganzen Tag verbringen können – zumindest von der Lust her. Und der Muskelkater in den Bauchmuskeln gibt das gute Gefühl, dass die Fahrt neben einem gehörigen Lerneffekt auch noch Trainingsaspekte hatte.

Gero meinte irgendwann: „Wegen solcher Fahrten fährt man immer wieder zum HKC und zurück“ – Recht hat er.

Nachklapp: Gero hat die Tour auf seinem Blog zirpelspinner.me ebenfalls geschildert.