Paddeln auf’s durchlauchtigste – eine Woche in der Lagune von Venedig

Ankunft und erstes Beschnuppern

venedig_blog_01Von der Nordsee aus führt uns unsere nächste Urlaubsetappe nach Venedig. Vor der Vogalonga, die den Wochenabschluss bilden soll, wollen wir mit Freunden aus dem TKV noch eine Woche in der Lagune verbringen. Nach den kühlen Bedingungen auf Spiekeroog, 14 Stunden Autofahrt und einer eher unruhigen Nacht im vollbepackten Auto freuen wir uns über die immer kräftiger strahlende Sonne und steigenden Außentemperaturen. Über die erst 1846 als erste Festlandsverbindung erbaute Brücke erreichen wir den Fährhafen von Venedig, wo die Fähre zum Lido bereits abfahrbereit liegt. Am dortigen Campingplatz sind wir mit dem per Flugzeug angereisten Rest der Gruppe verabredet. Mit der Fähre durch Venedig, direkt am Markusplatz vorbei geht es bei frühlingshaften Temperaturen auf den Lido zu. Nahezu zeitgleich mit dem Rest treffen wir am Zeltplatz ein, der noch reichlich leer ist, sich aber im Laufe der Woche füllen soll. Nach dem Aufbau der Zelte und des Faltboot-Zweiers entschließen wir uns noch zu einem kurzen Abstecher nach Venedig und paddeln zum ersten Mal an Gondolieri vorbei durch die eher touristisch geprägten Kanäle bis zur Rialtobrücke über den Canale Grande.

venedig_blog_02Man merkt der Stadt sofort an, dass Geschichte und tägliches Leben der Venezianer eng mit dem Wasser verbunden ist. Die Lieferung der Ikea-Schränke erfolgt hier schon mal per Boot, genau wie die letzte Fahrt zur Friedhofsinsel San Michele. Unsere Kajaks gleiten vorbei an den Prachtbauten von Kaufleuten, Kirchen, Palästen und den allgegenwärtigen Bogenbrücken durch die engen Kanäle. Überall atmet man den Duft dieser Geschichte, der leider immer mal wieder durch den eher unschönen Geruch des Wassers überdeckt wird. An den meisten Gebäuden nagt neben dem Zahn der Zeit auch das allgegenwärtige Nass. Zwischen all den Booten – vom Fischer, Transportschiff, Gondoliere, Vaporetto, Ambulanzschiff bis hin zu großen Fähren und Kreuzfahrtschiffen – ist Seekajakerfahrung von Vorteil, da sich teilweise ziemlich kabbelige Wellen bilden.

Ton in Ton

venedig_blog_03Der zweite Tag soll uns ein Stück in die 550 Quadratkilometer große Lagune mit ihren zahllosen Inseln führen. Jede dieser Inseln hat eine individuelle Prägung verbunden mit einer Spezialisiertung in der Handwerkskunst oder etwa als Insel für Klöster. Direkt gegenüber von unserer Einsetzstelle liegt die Festungsinsel Le Vignole mit der alten Festung San Andrea, von der berichtet wird, dass in der gesamten Geschichte Venedigs kein ungebetenes Schiff vorbeifahren konnte. Am Porto di Lido, der nördlichsten der drei Durchfahrten zur offenen Adria geht es vorbei Richtung Burano. Schon seit längerem wird hier an einem gigantischen Tor zum Schutz der Lagunenstadt vor immer häufigeren Überflutungen gearbeitet. Dieses Projekt „Mose“ markiert das neueste Kapitel in der langen Geschichte des Ringens der Venezianer mit den Naturgewalten der Adria um ihr Land. Weil die dadurch behinderte Selbstreinigung der Lagune durch Austausch mit frischem Wasser aus dem Meer beeinträchtigt wird, ist dieses Mammutprojekt naturgemäß stark umstritten.

venedig_blog_05Hier am Porto ist der Tidenstrom am stärksten und hilft uns ab jetzt. Vorbei an San Erasmo, dem Gemüsegarten von Venedig geht es jetzt flott voran. Die Fahrwasser sind in der Lagune durch große Dalben markiert: als Dreibein fest miteinander verbundene Baumstämme markieren die Seiten, die jeweilige Innenseite ist durch ein nummeriertes Schild gekennzeichnet. Ziemlich schnell liegt Burano zu unserer Linken – schon bei einem ersten Abstecher durch ihre Kanäle begeistern die Häuser des Städtchens durch ihre farbenfrohen Fassaden. Jedes Haus scheint seine individuelle, kräftige Farbe zu haben. Bei einem Landgang setzt sich dieses Farbenspiel in den Gässchen fort. Sogar die vor dem Häusern abgestellten Plastikmülleimer sind farblich auf den hauseigenen Farbton abgestimmt.

venedig_blog_06Burano ist für seine gehäkelten und geklöppelten Spitzenstoffe bekannt, die zumindest die mitpaddelnden Damen in Entzücken versetzen und zu Spontankäufen verleiten. Nach einem kleinen Mittagssnack, Spaziergang über die Insel zum schiefen Kirchturm und einer kurzen Siesta im Schatten geht es weiter zur Nachbarinsel Torcello.

Einst soll dies mit 50.000 Einwohnern die Hauptinsel der Lagune gewesen sein. Zwischenzeitlich laden statt der ehemaligen Märkvenedig_blog_07te, Paläste und Kirchen nur noch eine Basilika, vereinzelte Häuser und umliegende Gärten zum Verweilen ein. Diese versprühen aber herrlich italienisches Flair bei frühlingshaften Temperaturen. Mittlerweile läuft das Wasser wieder aus der Lagune und hilft uns damit erneut auf unserem Rückweg Richtung Lido. Zügig geht es vorbei an der Insel Madonna del Monte. Auch hier zeugen nur noch Ruinen von der ehmaligen Nutzung. Zwischenzeitlich erobert sich der stete Wechsel von Ebbe und Flut Stück für Stück die Insel zurück.

venedig_blog_04Um abzukürzen halten wir uns nicht allzu streng an die Fahrwasser, werden dabei aber immer wieder von einzelnen Inseln „überrascht“, die trotz Bebauuung nicht auf unserer Karte der Lagune eingezeichnet sind. Meist handelt es sich dabei jedoch um die weitläufigen Salzwiesen – artenreiche Feuchtbiotope, die sich einiger Berühmtheit erfreuen und als „Lungen der Lagune“ Unmengen Wasser speichern und filtern.

Glasbläser und Gummibälle

venedig_blog_10Am dritten Tag fahren wir von Norden nach Venedig herein. Linker Hand hinter hohen roten Backsteinmauern passieren wir das Arsenal, das früher das größte Schiffsbauzentrum Europas war. Wenig später das Krankenhaus der Stadt, an dem immer wieder Boote mit Blaulicht und Signalhorn an- und ablegen. Durch die Kanäle schlängeln wir uns Richtung Rialtobrücke. In deren unmittelbarer Nähe liegt das Organisationsbüro der Vogalonga, wo wir uns noch für die Fahrt am Sonntag anmelden wollen. Nach Erledigung dieser Formalitäten und mit gesteigerter Vorfreude fahren wir am Bahnhof vorbei in nördlicher Richtung aus der Stadt hinaus. Vor uns erstreckt sich nun hinter Ziegelmauern die berühmte Friedhofsinsel San Michele.

venedig_blog_08Aus hygienischen Gründen und entsprechend der üblichen Spezialisierung innerhalb der Inselwelt haben die Venezianer Bestattungen auf diese Insel beschränkt. Direkt hinter San Michele erstreckt sich nun Murano vor uns. Aus Angst vor Bränden wurden hierhin im 11. Jahrhundert die venezianischen Glasbläser verlagert. Auch wir nutzen die Gelegenheit und legen im Zentrum von Murano an, um bei einem Landgang in den Auslagen der Geschäfte die traditionelle Handwerkskunst zu bewundern. Persönlicher Höhepunkt meiner Murano-Fahrt ist der Fund eines treibenden Gummiballs, der mich die nächsten Tage begleiten wird. Er wird zur Einführung des „Venediger Brückenwurfs“ führen und als Poloballersatz zur Konditionierung von Christoph führen, der die folgenden Tage nach jedem Gegenstand hechten wird, der kurz vor seinem Boot platschend ins Wasser fällt. Kurzzeitig müssen auch springende Fische befürchten reflexhaft gegriffen zu werden. Zurück geht es erneut durch die Kanäle. Aufs Geratewohl biegen wir durch die Kanäle und fahren auch durch weniger touristische Gebiete. Immer wieder liegt jedoch der Canale Grande am Ende dieser Kanäle. In der eher kleinen Stadt scheint er sich wie die Hauptschlagader durch Vendig zu ziehen.

Einmal Markusplatz und zurück

Anfahrt_MarkusplatzHeinrich Breidenbachs nautischer Reiseführer „Die Lagunen von Venedig – Grado“ meint, „Venedig auf eigenem Kiel anzulaufen und bis vor den berühmten Markusplatz zu fahren, ist ein großartiges Erlebnis“. Damit hat er völlig Recht. Nach einem Blick auf die Hochwasserprognose setzt sich bei uns aber die Idee fest, auf (!) den Markusplatz zu fahren. Zeitpunkt und Höhe der Tide werden in der Lagune offensichtlich weit mehr von der Wetterlage als von astronomischen Konstellationen beeinflusst. Die Stadt Venedig gibt dazu eine sehr interessante Übersicht heraus, die mehrmals täglich aktualisiert wird. Während unseres Aufenthalts in der Lagune konnte es da auch schonmal passieren, dass ein Hochwasser „ausfiel“. Für heute ist – offensichtlich bedingt durch den starken Wind, der schon nachts unsere Zelte ordentlich durchgerüttelt hat – ein Hochwasserstand von über einem Meter angekündigt. Ab 80 cm wird der Markusplatz überspült, worauf der Bulletin der Stadt freundlicherweise ebenfalls hinweist.

SeufzerbrückeNach anfänglichem Zögern, ob wir uns bei dem starken Wind tatsächlich auf’s Wasser trauen sollen, siegen Neugier und Abenteuerlust. Also geht es vom Zeltplatz auf dem Lido aus Richtung Venedig. Um dem Wind nur eine möglichst kurze Zeitspanne voll ausgesetzt zu sein, nutzen wir jede sich bietende Insel als Schutz und genießen schließlich die Ruhe in den Kanälen Venedigs zum Verschnaufen. Unter der Seufzerbrücke hindurch deutet sich bereits an, dass der Wellengang auf dem Canale Grande noch einmal eine ganz andere Qualität hat als in der übrigen Lagune. Die Wellen schlagen reflektiert von Mauern und Schiffen erbarmungslos und aus allen Richtungen hoch. Bei den Kapitänen der Passagierschiffe gibt es eigentlich nur zwei Reaktionen auf unser Eintreffen: die Hände werden über dem Kopf zusammengeschlagen oder wir werden fotografisch festgehalten. Von hier aus sehen wir, dass der Markusplatz nicht so stark überflutet ist wie erhofft. Es gibt allerdings einen Zugang über einen Säulengang, auf den ich – PE-Boot sei dank – ohne großes Zögern auffahre. Das Paddelglück währt allerdings nicht lang und es heißt mangels Tiefgang aussteigen. Während Christoph und Michael hinter mir den gleichen Weg nehmen, werfe ich einen Blick um die Ecke auf den Markusplatz, wo ich Menschen in knietiefem Wasser waten sehe. Im Zentrum scheint der Platz also tiefer gelegen zu sein. Christoph muss nicht lange überzeugt werden, am Boot anzupacken und es gemeinsam genau dorthin zu tragen.

Markusplatz_1Sobald das Boot wieder die sprichwörtliche Handbreit Wasser unter dem Kiel hat, heißt es für mich einsteigen und mit ziemlich flachen Paddelschlägen weiter auf die Kirche San Marco zufahren. Jetzt kommen meine dreißig Sekunden Ruhm. Während man in Venedig als Paddler schonmal häufiger fotografiert wird, steht jetzt rund um den überfluteten Markusplatz eine lange Kette von Touristen und löst ein Blitzlichtgewitter aus. Während ich diese Kulisse genieße, werde ich durch einen ziemlich lauten Pfeifton aufgeschreckt und springe reflexartig aus dem Boot. Zwei Polizisten in neongelben Westen scheint mein Treiben offenbar nicht so sehr zu gefallen wie mir. Beide stehen trockenen Fußes an der gegenüberliegenden Seite des Platzes. Nach kurzem Blickkontakt drehe ich mein Boot und will von dannen ziehen. Einer der Polizisten winkt mich jedoch heran. Unschlüssig, ob ich dem nachkommen soll, konsultiere ich Christoph. Der meint recht trocken: „Sollen sie uns doch holen kommen!“. Ein weiterer Blickkontakt mit den Polizisten. Der zweite Carabinieri winkt jetzt ab. Das heißt dann wohl 2:1 – wir machen die Biege. Treidelnd und tragend wird das Boot wieder zur Einstiegsstelle bewegt und die Heimreise zum Zeltplatz angetreten. Mission accomplished.

Frischwasser!

venedig_blog_11Der Wind des vergangenen Tages hat noch nicht ganz nachgelassen und bläst immer noch recht stark von der Adria auf die Lagune zu. Das wollen wir nutzen, um durch den Porto di Lido aus der Lagune herauszufahren. Hier erwarten uns Wellen zwischen 1,50 und 2 Metern. Herrliche Bedingungen, um etwas zu spielen und vor allem ein wenig zu rollen, was wir in der Lagune mit ihrer eher begrenzten Wasserqualität tunlichst vermieden haben.

venedig_blog_12Nach Rückkehr und Mittagspause sollen heute die eher abgelegenen Viertel rund um das jüdische Getto unser Ziel sein. Hilfsbereite Damen, die ganz wie überall auf der Welt gern aus dem Fenster schauen, wollen uns partout den Weg zum Canale Grande weisen. Nach kurzer Diskussion können sie aber auch mit einer groben Richtung zur Synagoge aushelfen. Auf dem Rückweg über den Canale Grande positioniere ich mich wie schon einige Male zuvor im Heckwasser eines gerade ablegenden Wasserbusses. Der meint es mit seinem Gaspedal plötzlich allerdings sehr gut und erzeugt eine Strömung, in der mich eine hohe Stütze nur noch gerade eben vor einer Kenterung rettet. Nachdem ich das Boot wieder stabilisiert habe, rufe ich Catharina noch zu, nicht in die Nähe des Schiffes zu kommen. Sie stützt aber ebenfalls bereits sicher und wird eindrucksvoll mehrere Meter zur Seite versetzt. Wie gesagt, macht sich in Venedig das ein oder andere Mal Seekajakerfahrung bezahlt.

venedig_blog_09Nach ein paar Tagen in der Stadt ergänzen sich die bisherigen Ecken zwischenzeitlich gut und wir merken immer mehr, wie überschaubar groß Venedig ist. Die daraus resultierende Frage, wieviele Einwohner die Lagunenstadt eigentlich hat [58.901 im historischen Zentrum], markiert die Geburtsstunde der Wikipedia-Rolle für den fortgeschrittenen Kajak-Geek: statt Paddel hält dieser ein wasserfestes Smartphone in der Hand und bekommt eine Stadt zugerufen. Nach der Kenterung hat er unter Wasser Gelegenheit, dies nachzuschlagen, rollt hoch und präsentiert die Antwort. Von der sofortigen praktischen Umsetzung sehen wir angesichts der Wasserqualität ab behalten dies aber für einen späteren Termin fest im Blick.

Zurück geht es vorbei am Klosterkomplex auf der Insel San Giorgio mit eindrucksvollen Bauten und idyllischen Parkanlagen sowie San Servolo, auf der noch bis 1978 eine grausame Irrenanstalt betrieben wurde. Heute ist Freitag und der Zeltplatz hat sich in unserer Abwesenheit bis zum bersten mit Paddlern & Ruderern aus halb Europa gefüllt. Immer wieder hört man das Stichwort Vogalonga und die T-Shirts der vergangenen Jahre werden präsenter. Auch bei uns steigt die Vorfreude kontinuierlich […]venedig_blog_14

Empfehlenswerte Literatur

Neben den üblichen Reiseführern ist der nautische Reiseführer von Heinrich Breidenbach „Die Lagunen von Venedig – Grado“ lesenswert. Er richtet sich mit den Revierbeschreibungen zwar in erster Linie an Segler, ist aber auch für Kajaker nützlich und hält auch einige Tourenvorschläge bereit. Blättert man durch den Reiseführer merkt man auch immer wieder, welche Vorteile die Erkundung der Lagune per Kajak hat: an vielen Stellen, an denen größere Schiffe nicht willkommen sind oder gar nicht anlanden können, konnten wir problemlos anfahren.

Himmelfahrt auf Spiekeroog (EPP 3)

epp_spiekeroog-01 Über den Europäischen Paddelpass (EPP) wurde an anderer Stelle schon einiges geschrieben und diskutiert. Nachdem wir in den letzten Jahren schon das eine oder andere Mal auf eigene Faust auf Ostsee und dänischer Südsee und in erfahrener Begleitung auf der Nordsee unterwegs waren, war in diesem Jahr Ziel, unsere Kenntnisse und Fähigkeiten in Theorie und Praxis zu vertiefen. Der EPP 3 schien uns dazu als geeignet und wurde von erfahrenen Vereinskollegen wärmstens empfohlen. Angeboten werden die drei Kursbestandteile (Theorie, Brandungstraining & Einweisungsfahrt) von DKV-Küstenreferent Udo Beier. Udo ist ein Unikat, Erfinder der brechenden Schwimmbadwelle und von Freya Hoffmeister. Er hat schon einiges erlebt und erpaddelt – und teilt dieses Wissen gern.

epp_spiekeroog-07Nach dem lehrreichen, aber trockenen Theorieworkshop und vor dem kältebedingt auf später im Jahr verschobenen Brandungspaddeln sollte unsere Einweisungsfahrt in die Nordseegewässer rund um Spiekeroog gehen. „Einweisungsfahrt“ klingt arg dröge, ist aber eine schöne Gepäcktour, bei der reihum alle Teilnehmer mal die Gelegenheit bekommen, Udo ein paar Tonnen zu zeigen, Kurse zu bestimmen und weibliche Austernfischer am Klang des Flügelschlags von männlichen Eiderenten zu unterscheiden. Wir jedenfalls starten, wie wir es im Rahmen der zuvor angefertigten Hausaufgaben berechnet hatten, mit dem Hochwasser in Neuharlingersiel. Mit uns haben sich weitere gut hundert Seekajaks zum Himmelfahrtstreffen der Salzwasserunion auf Spiekeroog aufgemacht. Die Wetterprognosen sind nicht wirklich ideal: recht frisch und ziemlich starker Wind aus Südwest. Nachdem die Nasen kurz über den Deich gehalten wurden, ergab die allgemeine Stimmung, dass wir von der Umrundung von Spiekeroog heute noch absehen und uns direkt am Fahrwasser entlang nach Spiekeroog auf den Weg machen. Kurz vor Spiekeroog werden wir unerwarteterweise von der Fähre Langeoog II aufs Korn genommen. Sie und ihren plötzlichen Kurs auf Langeoog hat dort niemand erwartet. Nach dem Schrecken und verschiedenen Schleppübungen gönnen wir uns im Hafen von Spiekeroog erstmal eine Pause. Um noch ein wenig zu paddeln, geht es anschließend noch nicht direkt zum Zeltplatz, sondern das Gatt nach Langeoog wird gequert und wir vertreten uns dort auf trocken gefallenen Sandbänken die Beine. Jetzt aber rüber zum Zeltplatz, vor dessen Dünen sich schon beeindruckend Kajak an Kajak reiht – knapp 150 sollen es bei einer inoffiziellen Erhebung sein. Bei keinem Testival bekommt man wohl mehr Vielfalt geboten.

epp_spiekeroog-13Wegen der Windprognosen spricht alles für ein Standquartier auf Spiekeroog. So richtig traurig ist darüber niemand – nur aus dem geplanten Besuch von Baltrum wird daher wohl leider nichts. An Tag zwei wird erneut die Umrundung von Spiekeroog angepeilt. Es bleibt bei 5er-Wind aus Süd-West. Nicht eben ideal. Vor Spiekeroog West steht Brandung. Der Start der neunköpfigen Gruppe zieht sich daher ein wenig hin. Der ein oder andere wird bei den angesetzten Stützübungen immer wieder an Land gespült. Die Tour wird daher recht schnell abgesagt und in Brandungsübungen umgewidmet. Jetzt heißt es kanten, surfen, stützen und rollen. So werden aus der geplanten Umrundung nur knapp sechs Kilometer auf und ab – die aber ständig am Anschlag und zusätzlich mit der Gelegenheit, das Verhalten des eigenen (leeren) Bootes ausgiebig in der Brandung zu testen. Leider wirft mich der letzte Surf an Land in guter Tradition um. Die anschließende souveräne Rolle begeistert den Chef („Hallenbad Rolle rechts“) aber nachhaltig. Der Rest des Tages wird mit Landgang an Primär-, Sekundär- und Tertiärdünen vorbei ins idyllische Örtchen gefüllt, wo bei Kaffee und Kuchen ein kurzer Hausaufgaben-Check erfolgt.

epp_spiekeroog-27Tag drei: zum dritten Mal wird die Umrundung von Spiekeroog angepeilt. Wir einigen uns darauf, dass die Prognose von Windfinder die richtige sein muss, da sie uns weniger Wind und Regen als die Alternativen bereithält. Mit auflaufendem Wasser paddeln wir über das Harlesieler Wattfahrwasser Richtung Hafen Harlesiel. Westlich vom Leitdamm erreichen wir einen kleinen Strand und waten durch kniehohen Schlick an Land. Standesgemäß gibt es zum Mittag reichlich Fisch geräuchert oder in Bierteig frittiert. Udo schrammt unterdessen knapp an Harlesiel-Verbot wegen wiederholter Beleidigung von Kundinnen des Fischstands vorbei.

Entlang des Harlesieler Leitdamms und des Fahrwassers steuern wir jetzt Wangerooge an, wo wir einen kurzen Zwischenstopp einlegen wollen. Die Strecke legen wir in Rekordzeit zurück, da uns Strömung und Surfwellen kräftig nach Nordwesten schieben. Unterwegs ziehen wir die Aufmerksamkeit von zwei Dutzend Seehunden auf uns, die rund um die Gruppe von Kajakern immer wieder einzeln oder in kleinen Gruppen auftauchen. Erwischt habe ich das fotoscheue Pack gleichwohl nicht richtig.

epp_spiekeroog-47Von Wangerooge aus geht es jetzt auf die heutige Königsetappe: auf der Seeseite von Spiekeroog entlang. Wir paddeln gegen den Wind, der langsam auf West gedreht hat und immer noch gute fünf Windstärken hat. Teilweise geht unsere Geschwindigkeit auf kapp 2 km/h runter. Richtig garstig wird es, sobald der für vier Uhr angesagte Regen mit deutlicher Verspätung um 16:03 Uhr einsetzt. Die Regentropfen prasseln auf Wasser und vor allem ins Gesicht, was sowohl Sicht als auch Vorankommen deutlich erschwert. Als der Regen nach einer guten Stunde erst nachlässt und anschließend ganz aufhört, haben wir trotzdem schon eine gute Strecke zurückgelegt. Jetzt ergibt sich auch die Gelegenheit, immer mal wieder in die vereinzelten Brandungszonen zu paddeln und ein wenig zu surfen und spielen. Zum Ende hin zieht sich die Strecke dann allerdings, da die Robbenplate bereits deutlich trocken gefallen ist und umrundet werden muss. Teilweise ist die eigentliche Insel hinter dem hohen Watt nicht mehr zu erkennen. Als der Zeltplatz endlich in Sichtweite ist, wird – nicht unbedingt zur Freude aller Teilnehmer – noch ein kurzer Gang auf die Wattfäche eingelegt, die sich beeindruckend weit vor die Insel gelegt hat und nur durch kleine Rinnsale unterbrochen wird. Jetzt sind es nur noch ein paar hundert Meter bis zur Wattkante vorm Zeltplatz bis wir endlich wieder die Bootswagen auspacken und an Land rollern dürfen.

epp_spiekeroog-40Für die Rückfahrt am Sonntag halten sich sowohl Windstärke wie auch Windrichtung. Da wir noch den Janssand umfahren wollen, halten wir zunächst auf Langeoog zu und damit in den Wind. Als wir den angesteuerten Prickenweg erreicht haben, werden wir dafür aber mit Rückenwind belohnt und können für gut fünf Kilometer immer wieder einen guten Surf genießen. Westlich vom Leitdamm beenden wir auf einem kleinen Strand unsere Tour.

Nachklapp: Udo hat die Tour im Kanu-Forum weiter erläutert.

Skegs raus, wir surfen nach Fehmarn! – Kalte Ostern an der Ostsee

Den Fehmarn-Urlaub haben wir geplant, als der Winter eigentlich fast schon vorbei schien. Wer wollte da schon damit rechnen, dass es nochmal richtig knackig kalt werden kann. Spötter meinten nun im Vorfeld, wir sollen uns eher auf Schlittschuhlaufen einstellen oder beginnen, uns für Expressionisten zu erwärmen. Da die Boote nach der Aller-Hochwasser-Rallye nun eh auf dem Dach waren, kamen sie erstmal mit. Das Wetter konnte ja nur besser werden…

Fehmarn Transport Seekajaks verschneite StraßeFehmarn Schnee Seenotrettung DüneFehmarn Buhne Eis Winter

Fehmarn Wellen SonnenuntergangFehmarn Sund Brücke SonnenuntergangNachdem an den ersten Tagen tatsächlich Stadt- und Strandspaziergänge die sportlichen Höhepunkte bildeten, zog es uns bei langsam nachlassendem Wind dann doch irgendwann auf’s Wasser. In unseren Trockenanzügen mit 2-3 Lagen Fleece wahrscheinlich besser verpackt als die Kitesurfer, die am Nordstrand ihre Bahnen zogen, und mit der obligatorischen Sicherheitsausrüstung ging es direkt von der Ferienwohnung aus über den Deich an die Südküste Fehmarns. Der Wind blies mit einer guten 4er Windstärke aus Ost. Um nicht Gefahr zu laufen mit dem Wind freudig hinfortzusurfen und irgendwann nicht mehr zurückzukommen, paddelten wir zunächst gegen den Wind an. So richtig Freude kam dabei nicht auf – wir erreichten kaum eine Geschwindigkeit von 3 km/h. Nach einer guten halben Stunde hieß es daher: „Skegs raus, wir surfen zurück nach Fehmarn!“ und anschließend Auftauen im Hallenbad.

Fehmarn Wellen Seekajak Sund BrückeFehmarn Wellen Seekajak Sund BrückeFehmarn Wellen Seekajak SurfGlücklicherweise wurde es zum Osterwochenende hin doch ein wenig wärmer, die Sonne zeigte sich immer häufiger und der Wind drehte langsam auf Nord. Die Insel bot uns also für zwei weitere Touren zum Flügger Leuchtfeuer und auf den Burger Binnensee nach Burgstaaken hinreichend Windschutz. Das Wasser war fast zu glatt, um wirklich Spaß aufkommen zu lassen. In Anbetracht der Luft- und Wassertemperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, waren es aber ideale Bedingungen für die ersten Salzwasserkilometer der neuen Saison.

Fehmarn Seekajak SüdstrandFehmarn Seekajak Binnensee Burg EisFehmarn Seekajak Fischkutter Möwen

Vom Eise befreit – schön wär’s: Aller-Hochwasser-Rallye 2013

Da setzt man einmal auf den Klimawandel und freut sich Ende März auf frühsommerliche Temperaturen inmitten der blühenden Bananenhaine im Aller-Leine-Tal, da überrascht der Spaßkopp mit einer Kältewelle allererster Kajüte. Trotzdem steht auch in diesem Jahr die Aller-Hochwasser-Rallye als Saisonauftakt auf dem Programm. Während im letzten Jahr fast T-Shirt-Wetter war, sind diesmal für uns Trockenanzüge mit ordentlich Fleece drunter Pflicht.

Start Aller Hochwasser RallyeFrühmorgens auf dem Weg zum Bustransfer zur Einsatzstelle erhöht das NDR2-Team die Laune mit der Information, dass dies der kälteste 23. März seit 1899 ist. Die 1000 kcal Müsli im Bauch grummeln. Die Stimmung im Bus steigt, als wir einen Schwarm Kraniche passieren, die auf den Feldern um Verden pausieren. An deren Stelle wäre ich ja im Süden geblieben. Muss aber jeder selber wissen.

Bei -3 Grad Lufttemperatur packen wir an der Einsatzstelle in Hodenhagen unsere Boote fertig. Immerhin gewinnt die Sonne zunehmend an Kraft. Der Wind kommt mit 5er Stärke aus Ost, was ziemlich ideal ist und meistens Rücken- oder leichten Seitenwind verspricht… würde sich die Aller nicht auch mal nach Osten schlängeln. Als die Boote nahezu fertig sind, gibt es eine Explosion direkt über unseren Köpfen. Ich fühle mich an unsere Neujahrstour erinnert und drohe in Ohnmacht zu fallen. Schnell wird aber klar, dass es sich nur um den Startschuss handelt – also in die Boote und los!

Zwischenstop Aller Hochwasser RallyeCatharina treibt schon rasant die Aller hinunter, als ich im Boot bin und ziemlich schnell einen Anfängerfehler bemerke. Beim letzten Hallentraining in der Woche zuvor hat offenbar jemand mit noch kürzeren Beinen meine Fußrasten verstellt. Schon nach der ersten Kurve ist das erste Bein eingeschlafen. Ich kündige also sofort an, dass wir bei nächster Gelegenheit wieder ranfahren müssen. Catharinas Vermutung einer schwachen Blase weise ich empört von mir. Also laufen wir das nächste Kehrwasser an, ich raus aus dem Boot, Fußstützen 10 cm nach vorn und völlig verdreckt wieder rein ins Boot. Zu diesem Zeitpunkt ist meine Spritzdecke bereits völlig vereist. Wer hat nochmal behauptet, Paddeln würde Spaß machen?

Aller Hochwasser Rallye SchneeJetzt aber wirklich los! 54 km liegen noch vor uns. Wo wir im letzten Jahr die ersten sprießenden Knospen bewundern durften, liegt jetzt noch Schnee. Das Wetter hat wohl so manchen abgeschreckt. Das Feld ist deutlich kleiner, aber immerhin noch dreihundert Mitstarter sollen es sein. Ziemlich respektabel! Wind und Strömung treiben uns jetzt mit guter Geschwindigkeit Richtung Verden. Nach zwei Stunden Paddelei durchs norddeutsche Flachland ist die erste Snackpause angesagt. Auf Aussteigen hat keiner von uns beiden Lust, da wir bei Temperatur und starkem Wind sicher schnell auskühlen würden – also wird auf dem Wasser gegessen, während uns die Strömung weitertreibt. Catharina hält sich an ihre gefrorenen Bananen, während für mich Schokoriegel und Wasser-Sorbet aus der Trinkblase auf der Menükarte stehen. Fun fact: ein Snickers hat im gefrorenen Zustand wohl genug Luftblasen, dass es mit kräftigen Bissen in viele Einzelteile zerfällt, während das günstigere Lidl-Generikum einen soliden Klumpen aus gefrorenem Süßzeug bildet, den man gewaltsam zertrümmern und dann lutschen muss.

IMG_0023Wie schon erwähnt fließt die Aller auf ihrem Weg nicht immer Richtung Nordwest, sondern auch mal direktemang nach Osten. Man erinnere sich: daher kommt der Wind mit Stärke fünf. Und wenn Wind auf gegenläufige Strömung trifft, gibt das Wellen. Hier wird das Feld plötzlich sehr viel dichter. Viele suchen ihr Heil am Flussrand. Allerdings ist dort die Strömung geringer und in den Kehrwassern sogar gegenläufig. Die Stunde der Seekajaks ist gekommen. Elegant tanzen sie auf den Wellen und nutzen dabei die Strömung wohl ideal aus. Ebenfalls als von Vorteil erweist sich hier mein Grönlandpaddel, was mir einige neidische Kommentare einbringt. Unter diesen Bedingungen bietet es tatsächlich nicht so viel Windangriffsfläche wie die Euro-Löffel. Leider war zu diesem Zeitpunkt der Auslöseknopf meiner Kamera eingefroren und ich hatte nicht so richtig Muße, mit meinen durch den Wind ebenfalls gefrorenen Händen weiter zu versuchen, die Knipse in Betrieb zu nehmen. Der ein oder andere schien sich dieses Stück ein wenig länger gewünscht zu haben. Eine Abstimmung hätte wohl das Gegenteil ergeben. Später hören wir, an dieser Stelle seien auch zwei Paddler gekentert und mussten aus dem Wasser gefischt werden.

Aller Hochwasser Rallye Cockpit vereistWir folgen weiter den Windungen der Aller, die nur noch einmal ein kurzes Stück nach Ost mit dem entsprechenden Wellengang für uns bereithalten. Bei Kilometer 40 legen wir einen kurzen Landgang ein, da mein Sitzfleisch nicht mehr die gewohnte Kondition aufweist. Mein Sitzkissen hatte ich – ganz Ehrenmann – verborgt. Wir laufen in einen kleinen Hafen ein, in dem wir auch im letzten Jahr kurz pausiert haben. Kurz die Beine vertreten und eine Kleinigkeit gegessen, legen wir auch schon wieder ab. Waren die Hände eben noch recht warm, kühlen sie beim Boote tragen völlig aus. Ich beleidige mehrfach meine völlig vereiste Spritzdecke, die sich mit den steifen Fingern nicht schließen lässt. Der Wind treibt uns immer wieder fast unter eine Steganlage für Motorboote. Statt mir weitere Schimpfwörter für Wetter und Bootszubehör auszudenken, suche ich mir einen sicheren Halt und wärme die Hände notdürftig zwischen meinen Beinen. Mit der wieder gewonnenen Flexibilität lässt sich auch die Spritzdecke schließen. Zügig paddeln wir weiter, um nicht weiter auszukühlen. Jetzt sind es noch knapp 15 Kilometer, die sich ein wenig ziehen, aber am Ende kommt das Vereinshaus des WSV Verden dann doch plötzlicher als gedacht. Das Läuten der Glocke wird dicht gefolgt von einem ehrlichen Korn und hilfsbereite Helfer tragen unsere Boote an Land. Trotz klirrender Kälte war das eine herrliche Tour und ein von den Verdener Paddlern gewohnt gut organisierter Start in die neue Saison.

Nachklapp: Auf der Internetseite der Verdener Kreiszeitung findet sich eine Bilderstrecke zur Veranstaltung. Die Bilder 7 bis 12 zeigen unsere Ankunft in Verden.

Aller Hochwasser Rallye Eiszapfen

Grönlandtechnik: Bogenschlag (“Sweep stroke, reverse sweep stroke”)

Bogenschläge dienen dazu, die Richtung des Bootes zu beeinflussen. Während das Boot auf der Seite, zu der gesteuert werden soll, aufgekanntet wird, wird auf der gegenüberliegenden Seite der Paddelschlag ausgeführt. Teilweise reicht bereits das Ankannten und ein normaler Paddelschlag. Für deutlichere Kurskorrekturen ist jedoch meist ein Bogenschlag sinnvoll.

Bei der Nutzung eines Grönlandpaddels richtet der Bogenschlag relativ wenig aus, wenn beide Hände in der Grundposition am Paddelschaft verharren. Vielmehr empfiehlt sich die verlängerte Position: beim Bogenschlag auf der rechten Seite greift die rechte Hand den Schaft in der Mitte (oder noch weiter links an der Grenze zum linken Blatt) und die linke Hand greift das Paddelblatt (siehe Gleitschlag).

Das Paddel wird so nah wie möglich am Bug des Kajaks eingesetzt. Die obere Blattkante zeicht leicht nach außen. Das Paddel wird nun halbkreisförmig durch die Körperrotation von Bug zu Heck geführt. Der führende Arm ist weit ausgestreckt und das dazugehörige Bein erzeugt Gegendruck auf der Fußstütze. Das Paddel wird wieder ausgehoben, wenn noch etwa 45 Grad zum Halbkreis fehlen.

Während der Bogenschlag also ähnlich wie beim Euroblatt ausgeführt wird, ist er durch den viel größeren Hebel sehr viel effektiver. Gleichzeitig gibt dies und das leicht angekanntete Paddel eine sehr große Stützwirkung, was Sicherheit für deutliches Ankannten gibt. Diese im Vergleich zum Europaddel größere Effektivität kann man an geeigneter Stelle auch problemlos ausprobieren und mit beiden Paddeln eine 360-Grad-Wende vollziehen. Die Anzahl der Schläge mit dem Grönlandpaddel dürfte deutlich geringer ausfallen.

Will man die Richtung ändern und das Boot gleichzeitig deutlich abbremsen, empfiehlt sich ein von hinten nach vorn geführter Bogenschlag, der nach dem gleichen Prinzip ausgeführt wird.

The Revivalist – Maligiaq Padilla

Gesehen im Seekajakforum: Im (englischen) Canoe&Kayak-Magazin ist ein schöner Artikel über die Greenland National Kayaking Championships und den vielfachen Gewinner Maligiaq Padilla erschienen. Der positiv konotierte Vergleich mit Lance Armstrong im Artikel dürfte wohl nicht mehr zeitgemäß sein, die Leistungen von Maligiaq Padilla sprechen aber für sich. The Revivalist – Maligiaq Padilla.

Auf ein Neues – Paddeln bis der Arzt kommt

Man soll ja nicht immer nur über großartige Touren, Erfolgserlebnisse und vermeintliche Heldentaten schreiben. Gerade aus Rückschlägen lernt man ja oft am meisten – und seien es nur die eigenen Grenzen. Aber der Reihe nach…

Bei unseren letzten Touren zum „Gasthaus zum weißen Schwan“, in dem wir als Paddler stets sehr willkommen sind und das ca. 17 km vom TKV-Bootshaus entfernt liegt, haben wir hin und wieder eine kleine Tafel an der Wand bewundert. Ebenjenes Gasthaus hat einen Preis für diejenigen Paddler oder Ruderer ausgelobt, die als erste im neuen Jahr anlegen und Rast machen. Das mag in früheren Zeiten später im Jahr gewesen sein. Schon länger hat man allneujahr_08erdings nur eine Chance auf den Ehrenplatz an der Wand, wenn man – Eisfreiheit vorausgesetzt – an Neujahr aufschlägt. Nachdem der auf der Tafel vermerkte Rekord vom 1. Januar 2012 auf 10:03 Uhr lautete und das Gasthaus (offiziell) um 10:00 Uhr öffnete, verblieb uns daher nur ein schmales Zeitfenster, wollten wir 2013 an der Wand prangen.

neujahr_05Dieses Ziel vor Augen setzten sich Catharina, Gero und ich am Neujahrsmorgen in die Boote und legten pünktlichst um 7:26 Uhr ab. Klingt verrückt… ist es wahrscheinlich auch. Belohnt wurden wir durch eine herrliche Zeit in der Ruhe des Tegeler Sees. Nur der ein oder andere versprengte Knall erinnerte noch an die bürgerkriegsähnlichen Zustände der Silvesternacht. Die Skyline von Tegel wurde langsam blutrot und die ersten Sonnenstrahlen trafen auf das leicht vom Wind bewegte Wasser. Hatten wir bis zur Havel noch Gegenwind, schob er uns ab jetzt unserem Ziel entgegen. Sogar der Kanal vor Henningsdorf war in dieser morgendlichen Stimmung idyllisch. Vorbei an den immer imposanter werdenden Biberburgen kamen wir Kilometer für Kilometer unserem Ziel immer näher und die angepeilte Zeit von 10:00 Uhr war greifbar. Als wir kurz vor zehn den Weißen Schwan in Sichtweite hatten, lag allerdings bereits ein Vierer-Ruderer am Steg und das Fähnchen des Rudervereins Birkenwerder wehte arrogant im Wind. Damit waren neben dem gewohnten Platz am Holzsteg auch unser Platz auf der Tafel bereits anderweitig vergeben.

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Ich legte daher an einem der übrigen Stege an, stieg aus und zog mein Boot am vorderen Toggle an Land. Dem PE-Bootskörper macht das ja nicht viel aus. Leider dem Gummizug, der das Toggle auf Spannung hält schon… Im letzten Moment löst sich der Haken, der den Gummizug am Ring der Rundumleine halten soll und schnellt mir entgegen. Mit ziemlicher Geschwindigkeit trifft er die Handwurzel meines linken Mittelfingers. Meine Hand ist von den Außentemperaturen und dem Wasser noch ziemlich kalt. Außer einem kurzen Schmerz merke ich daher/trotzdem (?) nichts. Nichts weiter dabei denkend ziehe ich mir die Handschuhe aus und entdecke eine ziemlich eindrucksvolle Beule, die sich gebildet hat und immer größer wird. Zwischenzeitlich habe ich einen großen Huckel vom Durchmesser einer Zwei-Euro-Münze auf meiner Handaußenseite. Ich zeige ihn kurz Gero, der neben mir angelegt hat, verneine aber sofort ruhigen Gewissens, dass die Verletzung wehtut und verschiebe eine Behandlung auf drinnen. Ein paar Momente später wird mir zunehmend schwindelig. Ich setze mich zunächst auf einen der vom Sommer verbliebenen Gartenstühle. Den Vorschlag von Gero, mich hinzulegen, bejahe ich sofort. Den Weg ins Innere des Gasthauses, auf dem er mich stützt, nehme ich kaum noch wahr. Schnell werde ich endgültig bewusstlos.

neujahr_01Zum Glück sind die Ruderer zur Stelle und helfen, mich mit vereinten Kräften hineinzutragen. [Davon hatten sie ja noch genug, da sie einen viel kürzeren Anfahrtsweg hatten. Nur ein Spaß: vielen Dank nochmal!]. Drinnen lichtet sich dann der Schleier wieder und ich werde nach kurzer Abwesenheit wieder klar. Nachdem der Rettungswagen gerufen ist, bin ich auch schon wieder so weit, blöde Sprüche machen zu können. Der Notarzt stellt denn auch einen soliden Blutdruck fest. Damit bin ich, neujahr_13 mit einem Eisbeutel bewaffnet, zwar wieder auf dem Damm. Zurück zu paddeln, wäre aber unverantwortlich. Ich vertraue daher mein Boot schweren Herzens Gero und seiner Schleppleine an, während ich selbst die Rückfahrt im Taxi antrete.

Warum mein Körper für meine Verhältnisse so ungewöhnlich (Schock!) reagiert hat, ist mir immer noch nicht ganz klar. Vielleicht mag die Erschöpfung nach dem Paddeln im Kalten und eine noch nicht ganz überwundene Erkältung dazu beigetragen haben. In jedem Fall lehrt es mich, wie abhängig ein neujahr_14Paddler von seinem Material sein kann und wie leicht auch schon klein erscheinende Defekte dumm ausgehen können. Meine Toggle befestige ich jetzt jedenfalls ohne die dämlichen Haken. Und auf die olle Tafel will ich im nächsten Jahr auf jeden Fall.

Nachklapp: erledigt!

Grönlandtechnik: Flache Stütze („low brace“)

Wenn es in bewegter See kipplig wird, bietet die flache Stütze eine geeignete Möglichkeit, das Boot zu stabilisieren, die Balance zu behalten und eine Kenterung zu vermeiden. Das Paddel befindet sich in der verlängerten Position: Bei einer Stütze auf der rechten Seite greift die rechte Hand den Schaft in der Mitte (oder links davon) und die linke Hand greift das Paddelblatt (siehe Gleitschlag).

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Im einfachsten Fall reicht ein leichtes Aufschlagen des Paddelblatts auf die Wasseroberfläche. Sollte dies nicht ausreichen, hilft eine zusätzliche gleitende Paddelbewegung – ähnlich einem Bogenschlag. Das Paddelblatt liegt mit der Vorderseite (der Seite, die beim Vorwärtsschlag vom Paddler weg zeigt) parallel zum Wasser. Beim Vorwärts-Paddeln empfiehlt sich ein leichtes Anwinkeln, sodass die vordere Seite leicht erhöht ist. Bei einer vorwärts streichenden Bewegung bleibt es nun über der Wasseroberfläche. Bei der Bewegung nach hinten sollte die hintere Seite leicht erhöht sein. Das Paddel verbleibt unterhalb der Ellenbogen, die Handflächen zeigen nach unten – die Oberarme sind parallel zum Paddel ausgerichtet. Das Kajak wird mit einem Hüftschwung aufgerichtet.

Anders als beim Europaddel sollte das Paddel nicht gedreht werden, um mit der Blattkante durch die Wasseroberfläche zu schneiden und das Paddel wieder aus dem Wasser zu heben. Stattdessen empfiehlt es sich, das Paddelblatt parallel zur Wasseroberfläche zu behalten und das Paddel über das Deck aus dem Wasser zu ziehen. Die Hände sollten dabei nicht über das Paddel gleiten, sondern es die ganze Zeit über sicher mit beiden Händen greifen.

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Grönlandtechnik: Gleitschlag („Sliding Stroke“)

Lernt man das Paddeln mit dem Europaddel, bekommt man beigebracht, dass die Hände den Paddelschaft stets an der gleichen Stelle greifen. Von dieser Vorstellung muss man sich beim Grönlandpaddel lösen. Schließlich ist es bewusst so gebaut, dass es an jeder Stelle gegriffen werden kann und man am Paddel zu einer neuen Position entlangfahren – eben gleiten – kann. Die Beherrschung des Gleitschlags – im englischen sliding stroke – stellt sowohl als eigenständiger Vorwärtsschlag als auch als Brücke zu Steuer- und Stützschlägen eine wichtige Grundlage dar. Bei der Nutzung eines (kürzeren) Sturmpaddels ist der Gleitschlag die einzige Möglichkeit des Vorwärtsschlags.

Ein Schlag auf der rechten Seite beginnt mit der rechten Hand ungefähr in der Mitte des Paddelschaftes. Die linke Hand befindet sich ungefähr eine Schulterbreite entfernt – also nahe dem Ende des linken Paddelblattes. Beide Hände umgreifen jetzt fest das Paddel und führen es auf der rechten Seite am Boot vorbei. Beim anschließenden Umsetzen gleitet die linke Hand bis zur Mitte des Schaftes – und schlägt ggf. gegen die rechte Hand. Diese gleitet dann ihrerseits nach außen zum Ende des rechten Paddelblatts. Es wird nicht das Ende des Paddel von außen umfasst und eine Hand behält stets das Paddel fest im Griff. Die Schlagfrequenz ist geringer als beim normalen Grundschlag (Orientierung: etwa 40-50 Schlägen pro Minute). Ebenso wie beim Grundlschlag wird das Paddel angewinkelt (canted) durch das Wasser geführt.

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Vorteil des Gleitschlags ist, dass das Paddel weiter eintaucht als beim normalen Grundschlag und somit mehr Wasser verdrängt. Bei sehr steiler – fast vertikaler – Ausführung eignet er sich damit sehr gut für schnellere Passagen und Sprints. Bei sehr flacher Ausführung bietet er sich für flaches Wasser an, bei dem man mit dem Grundschlag entweder den Grund berührt oder das Paddel nicht tief genug eintauchen kann. Der Schlag ist sehr variabel an die Situation anpassbar. Bspw. kann das Paddel in bestimmten Situationen auf einer Seite tiefer geführt werden als auf der anderen, um den Kurs zu halten.

Der Bewegungsablauf des Gleitschlags erfordert Gewöhnung, da er anfangs nicht wirklich intuitiv ist. Ist er jedoch erst einmal verinnerlicht, ermöglicht das schnelle Umsetzen des Paddels spontane Steuer- und Stützschläge, sowie das intuitive Auslegen des Paddels bei der Grönlandrolle. Es ist daher von Vorteil, den Gleitschlag hin und wieder in seine Paddeltouren zu integrieren – gerade auf längeren Touren kann er auch willkommene Abwechslung sein.

Abwandlung: Kurzer Gleitschlag

Da das Grönlandpaddel eigentlich überall gut zu greifen ist, besteht auch die Möglichkeit eines „kurzen Gleitschlags“. Die Zughand gleitet dabei nicht bis zur Mitte des Schafts, sondern verbleibt beim Übergang von Schaft auf Blatt (ähnlich dem normalen Grundschlag). Die Druckhand gleitet dementsprechend nicht so weit wie beim vollständigen Gleitschlag nach außen.

Diese Technik wird z.B. Im Film Palo’s Wedding von Knud Rasmussen verwandt (siehe bei ca. 2 Minuten in folgendem Ausschnitt)

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