Aller Jahre wieder

Auch 2015 ist die Aller-Hochwasser-Rallye mal wieder mein Einstieg in die Saison. Rücken und verlängertes Rückenmark wollen an sitzende Tätigkeit gewöhnt werden. Während sie dies leidlich gut erledigen, windet sich unter dem Rumpf die Aller Richtung Nordwesten. Typisches Bild: Rechtskurve, Hausansammlung mit Storchennest zur Linken. Das ist natürlich sehr idyllisch. Ein wenig mehr Kreativität hätte man dem Landschaftsarchitekten doch abverlangen können. Fantasievoller waren seine Kollegen aus der Meteorologie. Haben sie sich doch etwas ausgedacht, was so gar nicht zur Realität passen wollte. Bei angenehmem Sonnenschein und langen Rückenwind-Strecken kam so mancher Paddler angesichts der eher pessimistischen Bekleidung ein wenig ins Schwitzen.

Apropos Rechtskurve (steht im Text ziemlich weit oben, aber eine Überleitung muss her). So mancher fragt sich auf fließenden Gewässern, ob er in Kurven eher auf der Innenseite (kurz) oder Außenseite (schnell) bleiben soll. Daher ein paar Gedanken zur Anatomie des Flusses:

  • Grundsätzlich ist der Fluss in der Mitte am tiefsten und die Strömung am stärksten. Auf der Geraden ist es also zunächst sinnvoll, dort zu paddeln.
  • In einer Kurve sorgen die Zentrifugalkräfte dafür, dass die Strömung an der Außenseite stärker ist und das Flussbett dort tiefer. Auf der Innenseite ist der Fluß in der Regel flach und die Strömung schwach.
  • Die Außenseite ist also die einfachere und kräftesparendere Alternative. Die Innenseite ist kürzer, benötigt aber mehr Kraft, gerade über sehr flachen Abschnitten.
  • Die Entscheidung für eine Seite hängt damit von Ambition und Kondition ab. Im Zweifel ist die Mitte einer gesunder Kompromiss zwischen schnell und kurz.

Begrabt meine Kamera an der Biegung des Flusses!

Im März hat man auf erzgebirgischen Wildflüssen die Chance auf gute Paddelbedingungen. Sicher ist das nicht und manchmal muss auch eine Talsperre nachhelfen. Nach der Premiere im letzten Jahr haben wir uns auch in diesem Jahr dem SCBG bei seiner traditionellen Wildwasserfahrt angeschlossen. Gepaddelt wurde natürlich abwechselnd. Samstags mit weiblicher Eleganz auf der Flöha, sonntags mit männlichem Übermut auf der Zwickauer Mulde. Wichtigste Lektionen des Wochenendes: nach fest kommt ab & Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denk-, senken aber das Rollvermögen. Vielen Dank an Pro-Tec für kein Muß im Kopf und Glückwunsch an GoPro für das Geschäftsmodell!

Grönlandtechnik: Die statische Stütze (Balance Brace)

Die statische Stütze ist eine schöne Übung, um Bootsgefühl vor allem für die kraftarme Beherrschung von Kajakrollen zu bekommen. Ziel ist, das Kajak beliebig lange am Kipppunkt zu halten, während der Auftrieb durch Oberkörper und Paddel erzeugt wird. Der Körper wirkt als Ausleger für das Boot und hält es aufrecht. Fortgeschrittene benötigen dafür auch kein Paddel – ein Norsaq oder nur der Oberkörper sind ebenfalls ausreichend.

In der Ausgangsposition wird für eine Balance Brace auf der rechten Seite das Paddel mittig mit der rechten Hand gehalten und parallel zum Kajak auf der rechten Seite gehalten. Der Oberkörper wird möglichst flach auf das Heck gelegt.

Während das rechte Bein jetzt aktiviert wird, um das Kajak im angekannteten Zustand zu halten, bleibt das linke Bein entspannt und kann sogar aus der Schenkelstütze genommen werden. Der Oberkörper gleitet nun nach hinten gebeugt ins Wasser. Die Schultern bleiben unbedingt parallel zur Wasseroberfläche. Sobald der Oberkörper flach auf der Wasseroberfläche treibt, kann er weiter ausgelegt werden, bis er etwa im rechten Winkel zum Kajak liegt.

Um wieder aufs Boot zu gelangen, wird der Oberkörper wieder zurückrotiert, während die Schultern flach bleiben und sanfter Druck auf das Paddel den nötigen Halt gibt.

Einige Tipps:

  • Häufig ist das Problem, dass die rechte Schulter versenkt wird. Hier hilft, die linke (!) Schulter bewusst tief einzutauchen – z.B. indem die linke Hand sich unter dem Boot festhält.
  • Der Kopf sollte nach hinten gestreckt werden, sodass zumindest die Augenbrauen im Wasser sind.

Um die statische Stütze zu üben und zu verbessern kann man folgendes versuchen:

  • Statt sich langsam in die Stütze gleiten zu lassen, kann man einfach probieren, sich aus der Bewegung in die Balance Brace fallen zu lassen.
  • Nach einer Kenterung einfach mal das Boot nicht mit der Rolle komplett aufrichten, sondern in der Balance Brace bleiben!
  • Man kann mit den verschiedenen Faktoren (Druck des Beins, Neigung des Oberkörpers, Neigung des Kopfes, Parallelität der Schultern) auch ein wenig experimentieren. Wenn man das langsam genug macht, sinkt der Kopf sehr langsam ab und kann mit der entsprechenden Gegenaktion auch wieder langsam an die Wasseroberfläche gebracht werden. Das bewusst zu probieren, vermittelt ein Gefühl vom Einfluss der verschiedenen Faktoren und schafft zudem die notwendige Ruhe.
  • Fortgeschrittene (nicht ich) können die Balance Brace auch mit einem Norsaq oder ganz ohne Hilfsmittel halten. Das gibt die Möglichkeit, direkt aus der Handrolle in die Balance Brace zu gehen – ein schönes Trainingsziel 😉

Lesenswerte Artikel:

Intervalltraining beim Paddeln

Allgemein wird dem Intervalltraining durch die Mischung aus großer Anstrengung und geringerer Belastung eine deutlichere Steigerung von Kraft und Ausdauer als durch simple Dauerbelastung zugeschrieben. Das klingt für mich logisch, hat in der Vergangenheit ganz gut funktioniert und gestaltet das Training vor allem abwechslungsreicher – zumal, wenn man die Art der Intervalle ändert und mit Dauerbelastung kombiniert. Gleichzeitig sorgt dieser Wechsel dafür, das die Muskeln regelmäßig neue Anreize bekommen. Ein Intervalltraining kann man sowohl im Kajak als auch auf dem Ergometer absolvieren. Egal welche Intervallart gewählt wird, sollte ein Einpaddeln von 5 bis 10 Minuten den Kreislauf erst mal hochfahren.

Seekajak mit Grönlandpaddel beim Hiddensee Marathon 2013

Tabata

Wahre Wunder werden dem Tabata-Training zugeschrieben. „In nur 4 Minuten …“ Zur Zeit ist auch ein Tabata-Training mein Favorit auf dem Ergometer. Das Grundprinzip von Tabata ist 20 Sekunden hohe Belastung, 10 Sekunden Pause (oder mäßige Anstrengung) – 8 mal nacheinander ergibt das die 4 Minuten. In ein längeres Training bindet man das sinnvollerweise mit drei Durchgängen ein. Mit Einpaddeln und Auspaddeln sieht das bei mir auf dem Ergometer (ca. 45 Minuten) z.B. so aus: 10 Min mit mäßigem Tempo einpaddeln | Tabata-Set 1 | 6 Minuten entspannt paddeln | Tabata-Set 2 | 6 Minuten entspannt paddeln | Tabata-Set 3 | 7 – 10 Minuten entspannt auspaddeln.

Stufenintervalle / Leitern

Bei Stufenintervallen wird die Dauer der hohen Belastung nach und nach erhöht. Beispielsweise zunächst 1 Minute, gefolgt von 1 Minute mäßiger Anstrengung, dann 2 Minuten, gefolgt von 2 Minuten mäßiger Anstrengung, dann 3 Minuten, gefolgt von 3 Minuten mäßiger Anstrengung usw. Sobald ein Punkt erreicht ist, bei dem nicht mehr die komplette Zeit mit hoher Belastung durchgefahren werden kann, wird zurückgezählt: 3 Minuten Belastung, gefolgt von 3 Minuten mäßiger Anstrengung, 2 Minuten Belastung … Ein oder mehrere Stufenintervalle lassen sich ebenfalls in ein längeres Training integrieren.

Um die Intensität zu erhöhen kann die mäßige Anstrengung auch auf durchgängig 1 Minute gesenkt werden: 1 Minuten Anstrengung, 1 Minute mäßig, 2 Minuten Anstrengung, 1 Minute mäßig, 3 Minuten Anstrengung, 1 Minute mäßig …

Als Alternative zu Zeitintervallen können natürlich auch Streckenintervalle gefahren werden: 250 Meter, 500 Meter, 750 Meter, 500 Meter, 250 Meter o.ä. Ebenfalls möglich und leicht zu zählen sind Paddelschläge: 20, 40, 60, 80 …

Seekajak vor Hiddensee

Feste Intervalle

Ebenfalls möglich ist es, die Intervalle fest zu definieren also durch Abfolgen von bspw. 2 Minuten Anstrengung, 4 Minuten Erholung, 2 Minuten Anstrengung, 4 Minuten Erholung, 2 Minuten Anstrengung … Das Verhältnis von Anstrengung zu „Erholung“ kann dabei von Training zu Training zu Gunsten der Anstrengung verschoben werden.

Wer noch mehr Abwechslung und weitere Inspirationen benötigt, wird bei Concept2 fündig. Der Hersteller von Ruderergometern bietet auf seiner Homepage ein „Workout des Tages“ in drei verschiedenen Längen. Das gibt eigentlich eine ganz gute Vorstellung, was man noch probieren kann, auch wenn man die bei Ruderern übliche Angabe von Schlägen pro Minute übertragen muss (z.B. in eine angestrebte Geschwindigkeit, Pulsfrequenz oder subjektive Anstrengung). Die Vorschläge kann man sich auch per Newsletter schicken lassen.

Wintertraining auf dem Kajak-Ergometer

An meine ersten Erfahrungen mit einem Paddelergometer erinnere ich mich noch gut. Birgit Fischer hat so ein Ding in ihrem Garten stehen und beginnt damit in ihren Kursen eine Bestandsaufnahme der bei den Kursteilnehmern vorhandenen Paddeltechnik. Ich saß zum ersten Mal auf solch einer Maschine und hatte schlicht Orientierungsprobleme, ohne Wasser und Kajak das Paddel zu führen. Von meinen eher hektischen Versuchen erlöste sie mich dann mit der vor Motivationskraft sprühenden Frage in die Runde der Kursteilnehmer: „Kann das mal jemand machen, der auch paddeln kann?“ Seit letztem Winter steht ein Ergometer auch bei mir zu Haus und ich habe ihn gerade für die zweite Wintersaison entstaubt. Das gibt mir Gelegenheit für eine eigene Bestandsaufnahme.

Anlass, mir selbst einen Ergometer zuzulegen, war weniger das Interesse an Technik- als vielmehr Krafttraining für Zeiten, in denen ich nicht auf’s Wasser komme – also vor allem im Winter. In Paddlerkreisen sind die Meinungen, was Paddelergometer angeht, ja eher geteilt bis kritisch. Klar bin ich auch lieber im Kajak auf dem Wasser. Aber in Berlin gibt es laaange Winter, in denen man gar nicht paddeln kann, eine noch längere Zeit, in der Berufstätige maximal am Wochenende auf’s Wasser kommen und dann kommen noch andere Verpflichtungen, Hobbies und Familie dazu.

Mein Paddlelite Pro

Da ich keinen Garten mit überdachter Veranda wie Birgit Fischer habe, kam für mich eigentlich nur der Paddlelite Pro in Frage. Großer Vorteil dieses Geräts ist nämlich, dass er deutlich kürzer als die üblichen Ergometer ist. Mit seinen 1,80m Länge kann er problemlos im Wohnzimmer genutzt und nach dem Training aufrecht in der Ecke verstaut werden. Gerade am Anfang habe ich versucht, die Anstrengung und Bewegungsabläufe möglichst viel zu vergleichen – das kommt erstaunlich gut hin und die Paddelbewegung kann gut imitiert werden. Das Gerät bietet zur Einstellung direkt am Schwungrad fünf Schwierigkeitsstufen, die laut Anleitung von Wanderboot bis Rennboot reichen, was ebenfalls ganz gut passt. Leider muss man die am Trainingscomputer nochmal zusätzlich umstellen, um auch die richtigen Leistungswerte angezeigt zu bekommen. Nachdem ich anfänglich auch mit höheren Widerständen gefahren bin, nutze ich jetzt aber sowieso meistens die als Standard hinterlegte Stufe 2.

Der Trainingscomputer ist eher spartanisch und bietet lange nicht so viele Informationen wie etwa die von Concept2-Ruderergometern. Konfigurierbar ist er leider gar nicht, sodass man mit den voreingestellten Ansichten klarkommen muss. Das Gerät soll sich auch mit einem Pulsgurt koppeln lassen und dann die im Trainingscomputer für die Herzfrequenz vorgesehene Anzeige füllen. Entsprechende Versuche sind allerdings gescheitert. Ein Garmin-Pulsgurt funktioniert gar nicht. Ein Polar-Pulsgurt lässt sich zwar koppeln, allerdings sind die angezeigten Werte eher Fantasiewerte. Nach diesen Versuchen habe ich das auch gar nicht weiterverfolgt. Orientiert man sich für das Training an den eigenen Frequenzbereichen, ist es sowieso sinnvoller, eine vernünftige Trainingsuhr zu nutzen, die Intervalle vorgeben kann. Die kann auch problemlos an der Fußstütze befestigt werden und bleibt so im Blick.

Anpassungen

In einem stimme ich aber mit den Erg-Hassern überein: Paddeln auf dem Ergometer kann echt langweilig werden. Und stundenlang auf den blau leuchtenden Trainingscomputer zu starren, macht echt kirre. Ich habe daher meinen Ergometer um eine „Halterung“ für mein iPad erweitert. Genau genommen, sind das einfach ein paar selbstklebende Gumminoppen, die das Tablet in aufrechter Position halten. Mit drahtlosem Bluetooth-Kopfhörer gibt es dann Science-Fiction-Serien in Ton und Bild. Die Länge einer Folge gibt auch gleich die Länge des Workouts vor: nämlich knapp 45 Minuten.

Zusätzlich habe ich noch die Füße des Ergometers mit Heizungsrohrummantelung gepolstert. Wenn man sich nämlich ins Zeug legt, ist das Gerät nicht gerade leise und die Schwingungen werden direkt auf den Fußboden ins nachbarliche Wohnzimmer übertragen. Mit der Polsterung wird das reduziert und außerdem hat der Ergometer so ein wenig Spiel, um sich selbst vor und zurück zu bewegen. Die Kraftübertragung wird so ein wenig abgefedert und geht nicht direkt in die Knochen.

Fazit

Auch wenn die Anschaffung des Paddlelite Pro finanziell ganz schön ins Kontor schlägt, hab ich den Kauf nicht bereut. Ein Ruderergometer war für mich keine Alternative, da ich die gleichen Muskeln wie beim Paddeln trainieren und insbesondere die Körperrotation nicht missen möchte. Mit zeitlich geringem Aufwand und einem Intervalltraining kann ich mich jetzt auch im Winter auspowern und anschließend direkt unter die Dusche.

Hier finden sich noch die Erfahrungen anderer Paddler mit ihrem Erg: ode to an erg | how we pimped our erg

Grönlandtechnik: Bugruder

Das Boot mit einem Bugruder zu drehen, funktioniert auch mit dem Grönlandpaddel. Dieser Steuerschlag ist effektiv, um das Kajak den Wind zu bewegen …und sieht ziemlich klasse aus. Je nach Vorliebe gibt es mehrere Varianten: das klassische Bugruder oder das gekreuzte Bugruder.

Klassisches Bugruder

Grönlandpaddel Bugruder bow rudderEingeleitet wird wird die Drehbewegung des Kajaks durch den Ansatz eines Heckruders auf der Seite, zu der gedreht werden soll oder durch einen kurzen Bogenschlag auf der gegenüberliegenden Seite. Beides sollte sich flüssig das Vorwärtspaddeln anschließen.

Das Kajak wird jetzt auf der Seite, zu der gedreht werden soll, aufgekanntet und das Paddel möglichst senkrecht eingesetzt. Der gegenüberliegende Fuß wird zur Unterstützung in die Fußraste gepresst. Die obere Hand sollte auf Kopfhöhe fixiert werden. Beide Handflächen zeigen in Fahrtrichtung. Während das Blatt anfangs noch parallel zur Fahrtrichtung eingetaucht ist, wird es jetzt so aufgedreht, dass die dem Paddler abgewandte Blattfläche im deutlichen Winkel zur Fahrtrichtung steht.

Gekreuztes Bugruder

Grönlandpaddel gekreuztes Bugruder Cross-bow rudderEingeleitet wird das gekreuzte Bugruder („cross-bow rudder“) wiederum von einem kurzen kräftigen Bogenschlag auf der gegenüberliegenden Seite. Das Blatt, das eben noch den Bogenschlag ausgeführt hat, wird nun über das Kajak gehoben. Nachdem es zunächst parallel zur Fahrtrichtung eingetaucht wird, wird es anschließend so aufgedreht, dass die Arbeitsseite senkrecht zur Fahrtrichtung gestellt wird.

Olympiasieger-Besieger – 1000Seen-Marathon 2014

Als großartige Veranstaltung zum Saisonabschluss hat sich in diesem Jahr wieder der 1000Seen-Marathon herausgestellt. Dieses Mal entscheide ich mich, auf der Marathondistanz anzutreten. Ein nur mäßig trainierter Sitzmuskel und die Eindrücke von der Langdistanz vor zwei Jahren lassen mich vor größeren Anstrengungen zurückschrecken. Die Wetterprognose geht auch in diesem Jahr von regnerischem Wetter aus – soll damit aber (wie in diesem Sommer häufiger) ziemlich daneben liegen. Meine Ansprüche schraube ich nicht allzu hoch. Auf dem Weg zur Diemitzer Schleuse und dem Start des Marathons erspähe ich einen schönen Holzkanadier. Zumindest vor dem möchte ich im Ziel sein. Der zweite Blick weist mich in meine Schranken, erkenne ich doch den Steuermann. Der heißt Andreas Dittmer und ist mehrfacher Weltmeister und Olympiasieger im Kanadier. Hmmm….

Ging es bei unserem Start vor zwei Jahren auf der Langstrecke sehr ruhig ab, ist das Startfeld heute deutlich größer und es wird ganz schön wellig. Ich freue mich, dass ich den Gedanken, mit einem deutlich flotteren Touringboot anzutreten, weggewischt habe. Während ich sicher im Seekajak sitze, kentert ein gutes Stück neben mir bereits ein Streamliner, dem sofort geholfen wird. Klasse! Auch im Kanal zum Vilzsee ist es voll und kabbelig. Ich paddle meine Geschwindigkeit, die nicht unbedingt hoch ist – ich will mich nicht gleich völlig verausgaben. Das Umtragen an der Fleether Mühle klappt dank freundlicher Unterstützung wunderbar und ich verliere wenig Zeit. Ich komme mit einigen Paddlern in lockere Gespräche. Von hinten kommt irgendwann der Kanadier mit Dittmer vorbei. Renntempo fährt der nicht. Dranbleiben kann ich aber momentan auch nicht. Schade.

Geht es also noch entspannter weiter. Ich lasse den ein oder anderen Zweier passieren und ermahne mich, dieses Mal auch die herrliche Natur zu genießen. Auch die Umtragung in Wustrow klappt wunderbar. Auf dem Plätlinsee ist das Feld vor mir wieder besser einzusehen – so weit hinten bin ich ja gar nicht. Vor allem erspähe ich ein rotes Shirt, das ziemlich hoch sitzt. Ich beschließe also, bis zur Schwaanhavel Boden gut zu machen. Schwaanhavel… da war doch was. Kurz: die flache und enge Schwaanhavel bremst natürlich wieder aus.

Ich komme in diesem Jahr aber erstaunlich gut durch und bin am Ausgang recht dicht an einer langgezogenen Gruppe und einem schönen Holzkanadier. Als ich zu diesem aufschließe, macht er gerade an der Fischräucherei am Drewensee fest. Ich höre noch, wie sich die Kanadierfahrer zurufen: „Oh Mist. Jetzt sind wir überholt worden.“ Oh ja – und den Sieg fahre ich jetzt nach Hause! Seit der Schwaanhavel läuft es überraschend gut. Kein Einbruch wie im letzten Jahr. So überhole ich einige weitere Mitpaddler. Ein Kajakfahrer mit Wingpaddel fragt interessiert, was das für ein Paddel sei, das ich da fahre und ob man damit tatsächlich vorwärts kommt. Nach einer kurzen Erläuterung lasse ich Taten sprechen und bin weg.

Ich lege mich auf eine Null-Stop-Strategie fest, schiebe mir Banane Nummer drei sowie Snickers Nummer zwei rein und nehme die nächste Gruppe auf’s Korn. Zweimal heißt es noch an Schleusen umzutragen und ein paar Kilometer abzureißen. Konstant treibe ich mein Kajak voran, kein Einbruch, ich wittere den Sieg. Nach der Canower Schleuse schaue ich mich hin und wieder um. Mit etwas Abstand paddeln da ein paar Kajaks – kein Kanadier. Beschwingt biege ich daher um die Ecke und das Zielfloß kommt in Sicht. Ich lege nochmal ein wenig drauf und ziehe beherzt am Stock. Das war’s. 5:43. Olympiasieger-Besieger!

Grönlandtechnik mit Greg Stamer

Die besten Texte zur Paddeltechnik mit dem Grönlandpaddel stammen von Greg Stamer. So war ich einigermaßen begeistert, dass Seakayaking Germany ihn für eine Workshopreihe in Flensburg gewinnen konnte. Mein Hauptinteresse galt der Technik mit dem Paddel – trotzdem ließ ich mich überzeugen, auch am Rollen-Workshop für Fortgeschrittene teilzunehmen. Und das hat sich definitiv gelohnt. Mir geht es aktuell weniger darum, irgendwelche neuen Arten von Rollen in verrückten Körperhaltungen und Paddelpositionen zu erlernen. Vielmehr will ich die Standardrollen, die ich schon beherrsche, festigen und weiter perfektionen. Greg hat schon mehrmals an den Greenland Kayaking Championships teilgenommen und in Grönland von Grönländern gelernt. So hat er einen guten Blick für Details und kann auch Hintergründe der einzelnen Rollen gut vermitteln. Einige seiner prägnanten Kommentare wie „der Teil ist nur für die Show“ oder „dafür würden sie Dir während der Championships Punkte abziehen“ haben definitiv geholfen, die Rollen eleganter aussehen zu lassen und gleichzeitig zusätzliche Sicherheitsaspekte zu integrieren.

Der für mich viel interessantere Teil waren aber die zwei folgenden Tage, in denen es mal nicht darum ging, was die meisten Paddler mit dem Grönlandpaddel machen – nämlich rollen. Vielmehr standen die Grundlagen der Fortbewegung, Manövrieren und Stützen auf dem Programm. Mein erklärtes Ziel, Hinweise für einen effizienteren Vorwärtsschlag zu bekommen und damit das Geschwindigkeitspotenzial zu steigern, haben sich voll erfüllt. Ich fahre nach Hause mit einer längeren Liste von Optimierungspotenzial und einem tieferen Verständnis für Bewegungsabläufe und Wirkungsweise des Paddels. Daraus ergeben sich viele Punkte, die ich bei Gelegenheit in meine Rubrik zur Grönlandtechik einarbeiten werde. Zusätzlich haben sich mir noch Sachen erschlossen, die ich vorher noch nicht wirklich probiert hatte, insbesondere verschiedene Formen von Bugrudern. Unter dem Strich: ein großartiges Wochenende mit vielen Aha-Effekten und einem großartigen Coach in sehr angenehmer Runde von Mitpaddlern.

Björn von liquidmedicine.de hat einen kleinen Film über den Rollenkurs gedreht.

Ein Plan und der südlichste Punkt Dänemarks

„Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.“ pflegte John „Hannibal“ Smith stets zu sagen. Sowas kann mir nicht passieren. An die Ostseeküste fahre ich nur mit Boot und das muss auf’s Wasser – egal, wie das Wetter ist. Wir verbringen den Urlaub in Marielyst auf Falster, gut zehn Kilometer nördlich von Gedser. Der Wind bläst kräftig aus Süd. Also: was liegt näher als gegen den Wind nach Gedser zu paddeln und zurück zu surfen? Vieles sicherlich – aber das ist hier immer noch mein Plan!

Also geht es auf die Ostsee. Wie erwartet, ist das Paddeln gegen einen 6er Wind nicht wirklich einfach. Ich verbuche das unter Training. Wirklich flott bin ich nicht und die Südspitze von Falster kommt und kommt nicht näher. Unter dem Strich paddle ich einen guten 4er-Schnitt. Durchaus annehmbar. Je näher ich der Südspitze komme, desto stärker bläst mir der Wind entgegen. Teilweise habe ich das Gefühl, gar nicht mehr voranzukommen. Neben mir schweben Möwen elegant auf der Stelle und schießen immer wieder pfeilschnell ins Wasser. Ich gebe nochmal alles und fahre um die Südspitze, den südlichsten Punkt Skandinaviens. Für Ehrfurcht habe ich keine Zeit. In Anbetracht der brechenden Wellen und des ein oder anderen Felsens wechsle ich die Schirmmütze gegen den Helm, der griffgreit auf Deck hinter mir liegt. Auch wenn meine Pläne nicht immer die besten sind, bin ich zumindest vorbereitet.

Ich schiebe mich weiter um die Inselspitze herum. Die Wellen werden immer größer und sind teilweise eineinhalb bis zwei Meter hoch. Ich versuche, mich nicht von ihnen mitnehmen und an Land drücken zu lassen. Das geht eine ganze Weile gut. Je mehr ich aber den Rest der Strecke einsehen kann, desto weniger Lust verspüre ich, weiterzupaddeln. Die noch verbleibenden zwei bis drei Kilometer gibt es ziemlich starken Wind und brechende Wellen von der Seite. Wäre ich nach drei Stunden gegen den Wind paddeln nicht schon völlig fertig, hätte ich das vielleicht sogar in Angriff genommen. So bin ich aber fast dankbar, als mich einer der Brecher nun so weit ans Land trägt, dass ich nicht mehr weg komme. Ich konzentriere mich also darauf, eine der Stellen zu erwischen, die frei von Felsen sind. Das Anlanden ging auch schon mal eleganter – aber sei es drum. Raus ist raus. Das GPS sagt: 12 km in drei Stunden. Rekorde sehen anders aus.

Ein freundlicher Urlauber hilft mir dabei, das Boot die Küste hinaufzutragen, und weist mir den Weg Richtung Gedser. Er kündigt mir zudem einige schöne Fotos an, die er von mir geschossen hat. Zwei weitere Pluspunkte auf meiner Vorbereitungsliste: Bootswagen und Wechselklamotten sind im Kajak. Wäre ich beim Rollern an der Küste nicht noch in einen heftigen Schauer gekommen, wäre also zumindest Plan B ziemlich gut aufgegangen.

Auf der Suche nach dem perfekten Grönlandpaddel

Der Artikel „Pursuing the perfect Greenland paddle“ von Christopher Crowhurst erschien im Juli 2014 in Ausgabe 42 des Ocean Paddler Magazine und unter Qajaqrolls.com. Die deutsche Übersetzung erscheint hier mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Als die antiken Inuit entlang der Küste Grönlands erstmalig ihre Handwerkskunst aufnahmen, waren ihre Paddel bereits beeinflusst von Generationen früherer Paddelschnitzer. Durch die Migration der Inuit aus Ost und West übernahmen sie Traditionen und Techniken, die von den Küstenvölkern des nördlichen Atlantik und Pazifik entwickelt worden waren. Die vorherrschenden Doppelpaddel der Inuit waren stark geprägt durch die für die Jagd notwendige Lautlosigkeit und Geschwindigkeit. Die Ansprüche moderner Paddler haben sich geändert und die wenigsten jagen noch für ihren Lebensunterhalt. Daher ist es nicht überraschend, dass sich die Form ihrer Paddel weiterentwickelt hat.

Das Grönlandpaddel ist ein leistungsfähiges Werkzeug. Viele scheinen damit nur das Rollen im Kajak zu assoziieren. Dieses Klischee wird vermutlich dadurch verschärft, dass Leute wie ich hauptsächlich Videos vom Rollen veröffentlichen und wenige Artikel zu dem Anwendungsgebiet veröffentlicht werden, in dem das Paddel tatsächlich hervorsticht, nämlich vorwärts zu paddeln und das Kajak zu manövrieren. Viele Langstreckenrekorde im Paddeln wurden durch Grönlandpaddler aufgestellt; man erinnere sich nur an den Geschwindigkeitsrekord, den Jo O’Blenis bei der Umrundung von Vancouver Island aufgestellt hat. Dabei hat er ein Grönlandpaddel benutzt. Man erinnere sich ebenso an James Mankes Tour den Grand Canyon herunter im letzten Jahr. Er hat dafür einzig ein Grönlandpaddel genutzt. Solange es die richtige Länge und Form für die jeweiligen Bedingungen hat und mit dem entsprechenden Training, kann ein Grönlandpaddel hervorragend für jede Umgebung und sämliche Bedingungen sein. Ist es perfekt? Das herauszufinden liegt bei Dir! Ich hoffe, Dir die feinen Unterschiede im Design des Grönlandpaddels bewusst zu machen und Dir dadurch auf Deiner Suche nach dem perfekten Paddel zu helfen.

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Eine Auswahl meiner Paddelsammlung der folgenden Paddelhersteller: Sipke Deboer, Adanac Paddles, Lumpy Paddles, TandJ Paddles, Joe O’ Paddles, Northern Light Paddlesports, Superior Paddles, Gear Labs, Novorca. (Viele Paddel fehlen auf dem Bild, weil sie gerade verliehen waren. Das ist auch ein Grund dafür, dass ich so viele Paddel besitze: um anderen die Möglichkeit zu geben, sie auszuprobieren. Bei einem Workshop kannst Du das ebenfalls.)

Es wurde bereits viel über die Prinzipien geschrieben, wie sich die Dimensionen des Grönlandpaddel an Hand der Körpermaße herleiten lassen. Diese Regeln sind auf vielen der Webseiten gut dokumentiert, die sich mit traditionellem Paddeln beschäftigen. Länge, Breite, Schaftgröße, Position der Paddelschulter etc. berechnen sich danach an Hand der Körperproportionen des Paddlers. Ein Punkt, der häufig dabei übersehen wird, ist, dass das persönliche Kajak traditionellerweise ebenfalls an Hand verschiedener Körpermaße konstruiert wurde. Es passte also nicht nur das Paddel zum Paddler, sondern auch das Paddel zum Kajak. Solange er nicht sein individuelles skin-on-frame Kajak baut und die Dimensionen mit traditionellen Maßen festlegt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass der moderne Seekajaker ein Kajak vergleichbarer Proportionen fährt. Die meisten modernen Kajaks sind breiter, haben einen flacheren Boden, sind kürzer und haben ein höheres Deck. Üblicherweise sitzt der Paddler aufrecht auf einem bequemen Schaumstoff- oder Fiberglassitz – das ist ein großer Unterschied zum Sitzen auf einer Schicht von Tierpelzen, die Deinen Hintern vor dem kalten Wasser schützt, das Dir die Spante des Kajaks in den Körper drückt. Diese Änderungen im Kajakdesign haben zu parallelen Änderungen im Paddeldesign geführt. Außerdem hat sich die Nutzung des Kajaks verändert. Rock hopping, Surfen, Wildwasserfahrten, Gepäckfahrten, Roll-Wettkämpfe und Rennen haben sich alle entwickelt, als das Kajaken sich von einer existenziellen Fähigkeit zum Überleben zu einem Sport und Mittel der Erholung entwickelt hat. So wie sich unsere Nutzung des Kajaks verändert hat, so haben sich die Paddel verändert, die wir nutzen.

Wenn man einen näheren Blick auf die Archive der bekanntesten Kajakforen wirft, wird man unzählige erbitterte Debatten darüber finden, ob das Grönlandpaddel besser ist als ein Europaddel und welches das „richtige Paddel“ für verschiedene Aufgaben ist. Meine Lieblingskommentare kommen regelmäßig von Leuten, die Grönlandpaddler fragen, wann sie das letzte Mal auf Robbenjagd waren. Ich bin mir sicher, dass solche Diskussionen nicht aussterben, solange verschiedene Designs von Paddeln gebräuchlich sind.

Statt über die verschiedenen Vorzüge zu streiten, lass uns lieber für den Rest des Artikels unterstellen, dass Du eine dieser Personen bist, die sich aus welchem Grund auch immer für die Nutzung eines Grönlandpaddels entschieden hat.

Wenn Du daran interessiert bist, ein historisches Paddeldesign der Inuits für die Robbenjagd nachzubauen, gibt es eine Vielzahl großartiger Bücher mit einem Überblick über alle entscheidenden Maße derjenigen Paddel, die von Historikern zusammengetragen wurden – mein Lieblingsbuch ist Kayaks of Greenland von Harvey Golden. Genausowenig wie der bloße Nachbau eines skin-on-frame-Kajaks für die Jagd nicht zwangsläufig ein für Dich passendes Kajak ergibt, wird der Nachbau eines historischen Paddels nicht zwangsläufig das perfekte Paddel für Dich zur Folge haben. Für viele ist der ausschlaggebende Punkt auch nicht die Perfektion, sondern die Freude und Belohnung, die man daraus zieht, Geschichte wieder aufleben zu lassen.

Der Rest dieses Artikels wurde geschrieben, um denjenigen zu helfen, die den Ursprüngen unseres Paddelsports huldigen und ein traditionelles Grönlandpaddel nutzen wollen, aber es auch als praktisches, effizientes und angenehmes Werkzeug begreifen.

Die Größe muss zum Zweck und Boot passen

Reduziert auf die wesentlichen Elemente gibt es eigentlich drei absolut kritische Größen an einem Grönlandpaddel: die Gesamtlänge, die Breite des Blattes und die Länge des Schaftes. Aktuell fahre ich gern mit Paddeln drei unterschiedlicher Längen: 2,13 m, 2, 18 m und 2,28 m. Jedes Paddel hat einen sehr unterschiedlichen Mix der verschiedenen Dimensionen und seinen speziellen Einsatzzweck.

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Drei meiner Lieblingspaddel: 2,13 m x 9 cm, 2,18 m x 8 cm, 2,29 m x 7 cm

Das Paddel für’s Surfen oder rock hopping ist ein kürzeres und breiteres Paddel (2,13 m lang und 9 cm breit) als die Paddel, die ich für Langstreckenfahrten einsetze. Zwischen den Felsen sorgt die zusätzliche Breite für einen größeren Biss des Paddels in einer frühen Phase des Schlags, es funktioniert auch im flacheren Wasser oder muss nicht so tief eingetaucht werden und die größere Hebelwirkung ermöglicht schnellere Richtungswechsel. Später werde ich auch noch auf die Blattform eingehen, die ebenfalls diese größere Kraft fördert. Im Surf werden zwei Faktoren besonders wichtig: einer ist die Möglichkeit schnell zu beschleunigen und der andere ist das Paddel schnell über das Kajak umzusetzen. Die Beschleunigung wird begünstigt durch eine breitere Blattspitze. Ein kürzeres Paddel kann durch seinen geringeren Schwung und das frühere Auftauchen aus dem Wasser leichter von einer Seite auf die andere geführt werden. Ein längeres Paddel wird schwerfälliger sein, weil Du das Paddel hochhebeln musst, um es aus einer Welle zu lösen. Eine Herausforderung durch ein kürzeres Paddel ist die geringere Kraft des Heckruders, einem üblichen Paddelschlag beim Surfen. Jede Veränderung ist ein Kompromiss. Um Dein perfektes Paddel zu finden, musst Du die Kraft für Richtungswechsel und die Geschwindigkeit für das Umsetzen des Paddels ausbalancieren.

Auf Langstreckenfahrten wechsle ich lieber auf ein längeres, schmaleres Paddel (2,28 m lang und 7 cm breit). Das schmalere Blatt sorgt für einen sanfteren „catch“ des Paddels beim Eintauchen ins Wasser und das wiederum verringert die Belastung der Schulter bei jedem einzelen Schlag. Die zusätzlich Länge lässt das Paddel tiefer eintauchen und sorgt dafür, dass eine hinreichende Fläche des Paddels im Wasser liegt, um einen effizienten Vorwärtsschlag zu ermöglichen.
Mein Alltagspaddel ist mein Lieblings-Rollpaddel (2,18 m lang und 8 cm breit). Aus meiner Erfahrung heraus ist diese Größe sehr vielseitig. Beim Erlernen der Rolle mag ein breites, langes Paddel den Leuten das Gefühl geben, besser zu rollen. Aber das ist irreführend, denn eine gute Beherrschung der Rolle hängt nicht von der Oberfläche des unterstützenden Paddels ab. Ich rolle lieber mit meinem regulären Paddel, da mir das schnell zeigen wird, ob ich mich zu sehr auf das Paddel verlasse, weil die geringere Oberfläche es schneller absinken lässt, sobald ich mich darauf stütze.
Vor der Dimensionierung des Paddels ist es hilfreich, die Schaftweite festzulegen. Der Schaft wurde üblicherweise mit der Hüftbreite des Paddlers und einer zusätzlichen Handbreite bemessen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Breite des Kajaks ebenfalls berücksichtigt werden muss, sofern man ein breiteres Boot fährt als die historischen Kajaks. Je breiter das Kajak ist, desto länger muss der Schaft werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass traditionelle Grönlandkajaks nur ein paar Zentimeter breiter als die Hüften waren. Meine bevorzugte (durchschnittliche) Schaftlänge ist 51 cm – das passt für meine Grönlandkajaks und britischen Seekajaks, mit Breiten zwischen 48 und 54 cm. Wenn Du Dir den Unterschied bewusst machen willst, nimm einen kurzen Besenstiel zur Hand, setz Dich in Dein Kajak und führe mit unterschiedlichen Handabständen eine flüssige Paddelbewegung aus – und schaue, wie sie sich verschiedene Positionen anfühlen! Finde den optimalen Bereich und miss den Abstand! Prinzipiell ist die Schaftbreite der Abstand der jeweiligen Punkte zwischen erstem und zweiten Fingerknöchel an jeder Hand.

Meine Paddellänge habe ich bemessen, indem ich mich mit einem Besenstiel (mit der vorher gemessenen Schaftbreite) in mein Kajak gesetzt und zu einer Bewegung wie beim Vorwärtsschlag angesetzt hab. Ich wollte eine Paddellänge erreichen, die an dem Punkt ins Wasser eintaucht, an dem der Zugarm voll ausgestreckt, mein Rumpf leicht eingedreht und meine Hand in ihrer natürlichen Position und Höhe für den Paddelschlag war. Wenn Du das selbst ausprobierst, musst Du berücksichtigen, in welchem Winkel Du das Paddel führen willst. Eine steile oder flache Paddelbewegung verändert die Höhe der führenden Hand nachhaltig, welche wiederum den Winkel beim „catch“ und damit die optimale Paddellänge verändert.
Sobald man die Schaftlänge und Gesamtlänge gefunden hat, ist der nächste wesentliche Wert die Blattbreite. Üblicherweise wird von der Blattbreite am breitesten Punkt gesprochen. Das Bewusstsein, wo und welche Art von Paddelaktivitäten Du planst, wird Dir helfen über die Blattbreite zu entscheiden. Wie oben geschrieben, benutze ich verschiedene Blattbreiten jeweils passend zu verschiedenen Umgebungen. Geh nicht davon aus, dass es eine Größe für alle gibt! Wenn Du darüber nachdenkst, mit dem Grönlandpaddel zu rollen, ist es wichtig sicherzustellen, dass das Blatt angenehm in Deine Handfläche zwischen Daumen und Finger passt, um alle Arten von Rollen (auf der flachen Stütze basierende und vorwärts endende bzw. auf der hohen Stütze basierende und rückwärts endende) bequem absolvieren zu können. Wenn Dein Paddelblatt zu breit ist, läufst Du Gefahr, dass Du es am Rand nicht richtig greifen kannst und es Dir während der Rolle entgleitet. Die beste Kontrolle hast Du, wenn Du das Blatt angenehm greifen kannst.

Die Form des Blattes

Grönlandpaddel verjüngen sich vom der Spitze zum Schaft – manche in gerader Linie, andere mit einer konkaven, wiederum andere mit einer konvexen Kurve. Die Kraft des Paddels bei der Beschleunigung hängt substanziell von der Zunahme der eintauchenden Oberfläche beim Versenken des Paddels ab. Um die Beschleunigung im Surf und die Kraftübertragung beim rock hopping zu maximieren nutzen viele – mich eingeschlossen – Paddel, bei denen die ersten 15 bis 20 cm die selbe Breite haben und sich dann mit einer konvexen Form bis zu den Schultern des Schafts verjüngen. Bei meinem Langstreckenpaddel versuche ich die Kraftübertragung auf die Schulter zu minimieren und gestalte daher den „catch“ sanfter. Dafür mag ich es, wenn sich das Paddel in fast gerader Linie verjüngt.

Die Form der Spitze

Wie es viele Religionen gibt, gibt es viele Formen für die Blattspitze. Von halbrund bis eckig und alles dazwischen. Die Form der Blattspitze scheint viele Auswirkungen zu haben: sie verändert das Geräusch, wenn das Paddel ins Wasser taucht, sie verändert leicht die Blattoberfläche und sie wirkt sich darauf aus, wie das Wasser während der Zugphase des Paddelschlags um das Paddel fließt. Manche Leute weisen der Blattspitze auch eine Verantwortung für das Flattern zu. Aber ich denke, die Blattform insgesamt hat einen viel größeren Eifluss auf das Flattern. Außerdem gibt es ästhetische Aspekte. Ich persönlich mag runde Spitzen, solange ich nicht auf maximale Kraftübertragung abziele – dann nehme ich eine gerade Blattspitze mit abgerundeten Ecken.

Blattquerschnitt

Grundsätzlich verändert sich der Blattquerschnitt entlang der Länge des Paddels. Ein flacheres Profil an der Blattspitze scheint es dem Paddel zu erlauben, leiser und effizienter ins Wasser einzutauchen. Eine Diamant-Form nah der Paddelschulter hilft dabei, den Eintauchwinkel (und die schräge Führung – „cant“) besser zu kontrollieren, was besonders Anfängern dabei hilft, die traditionellen Paddelschläge auszuführen. Beim Schnitzen aus Holz ist wichtig, genug Material über die ganze Länge zurückzubehalten, damit das Paddel seine Stabilität behält. Dünne Blattquerschnitte sind empfindlicher, wenn sie mit Steinen in Berührung kommen – einmal mehr ist es an Dir, das Design des Paddels der Umgebung anzupassen.

Beim Paddeln scheinen die meisten Inuit die Paddelblatt leicht schräg geführt zu haben. Da das Paddel durch das Wasser schneidet, ist es am sinnvollsten eine tragflächenähnlichen Querschnitt zu konstruieren, um während des Paddelschlags eine laminare Strömung über dem Blatt zu erzeugen – wie beim Wingpaddel. Im Querschnitt sind die Paddelblätter symmetrisch, was die Erzeugung einer laminaren Strömung einschränkt. Aber eine hydro-dynamisch effiziente Form kann einen großen Einfluss darauf haben, wie sich das Paddel anfühlt.

Der Anströmwinkel des Arbeitsblattes beeinflusst den Winkel, in dem das Paddel während jedes Paddelschlags gehalten werden muss. Leute, die ein neues Paddel als flatternd empfinden, halten es normalerweise in einem Winkel, für den es nicht konstruiert wurde. Durch Testen einiger Paddel mit verschiedenen Querschnitten, wirst Du in der Lage sein, die Form für den Winkel zu finden, in dem Du das Paddel führen möchtest.

Schulterform

Die Schultern des Paddels beeinflussen den Komfort des Paddels genauso wie der Winkel, in dem Du es hältst. Während des Paddelns solltest Du keine Druckpunkte verspüren. Unter normalen Umständen sollten auch keine Blasen an Deinen Fingern oder Handflächen auftreten. Viele Paddelmacher haben einen guten Ruf erworben durch ihre Fähigkeit, sanfte und angenehme Schultern herzustellen. Der Wert der Erfahrung dieser Paddelbauer sollte nicht unterschätzt werden. Schlechte Schultern können ein Paddel ruinieren.

Eine andere Option, die Du bei der Nutzung von Grönlandpadden in Betracht ziehen solltest, ist auf Schultern ganz zu verzichten. Ich mag das Paddeln mit schulterlosen Paddeln, weil es einen schnellen Wechsel zwischen den verschiedenen Seiten im Surf und den einfachen Übergang in den Gleitschlag („sliding stroke“) erlaubt. Einige Leute bevorzugen aber, besonders am Anfang, das solide Gefühl, das Schultern ihnen geben, indem sie keinen Zweifel aufkommen lassen, wo man gerade das Paddel anfasst und wann es korrekt ausgerichtet für Paddelschläge oder Rollen ist.

Schaftquerschnitt

Grundsätzlich gibt es drei Varianten von Schäften: eckig, oval und rund. Eckige und ovale Schäfte tendieren dazu, beim Greifen mit einem bestimmten Winkel in der Hand zu liegen, was den Paddelblättern seitliche Stabilität verleihen kann. Runde Schäfte tendieren dazu, keine stabilisierende Wirkung zu haben, können aber angenehm bei jedem Winkel gegriffen werden. Der Schaftquerschnitt sollte so dimensioniert werden, dass Dein Daumen und Zeigefinger den Schaft bequem umrunden können und Dein kleiner Finger nicht angespannt ist. Einige eckige Schäfte können unbequem sein, wenn Du das Paddel nicht angewinkelt führst („canted stroke“). Du solltest also bei der Auswahl des Schaftquerschnitts berücksichtigen, wie Du paddeln möchtest.

Material

Die traditionellen Materialien zur Herstellung von Grönlandpaddeln sind Holz und Knochen. Für den durchschnittlichen Paddler dürfte das Material der Wahl Holz sein. Mein Favorit ist schöne, dicht gemaserte Zeder ohne Astlöcher, aber viele andere Hölzer wurden erfolgreich genutzt. Fichte wurde für viele sehr stabile Paddel genutzt. Zeder wird für sehr leichte Paddel verwendet. Es muss immer ein Kompromiss gefunden werden zwischen der Verfügbarkeit der Materialien und dem angestrebten Design. Viele Paddler passen entweder Hartholzspitzen ein, um die traditionellen Knochen zu ersetzen – andere tauchen die Paddelspitzen in Epoxid oder ähnliche Materialien, um sie zu verstärken. Ich schleife lieber die durch Stöße entstehenden rauhen Enden mit Schleifpapier ab und reibe sie mit Tung-Öl ein, damit sie weiter gut aussehen und das Wasser abweisen.

Es gibt viele kommerzielle Anbieter von Grönlandpaddeln, die hauptsächlich Holz und Carbon als Material verwenden. Insbesondere Carbon wird genutzt, um leichte und stabile Paddel zu konstruieren. Die Vorteile der Carbonfaser-Technologie erlauben, Paddel zu bauen, die aus Holz so nicht verlässlich konstruiert werden könnten. Ultradünne Blätter, die einige Rennkajaker bevorzugen, würden schnell beschädigt werden, wenn sie aus Holz gefertigt wären – aber die Stabilität von Carbon und Epoxy erlaubt die Kreation einiger sehr eleganter Designs. Durch den Gießprozess sind die Carbon-Paddel generell sehr robust. Durch Änderung der Zusammensetzung des Carbons kann auch die Flexibilität des Paddels geändert werden, damit sie entweder in ähnlicher Weise nachgeben wie Holz oder so steif sind wie Stahl. Du hast die Wahl.

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Bauplan, freundlicherweise bereitgestellt von Novorca, for 2,18 m x 8cm X2 Design Paddel. Beachte den linsenförmigen Querschnitt nahe dem Schaft und das leistungsfähige Design der Spitze.

Ein Paddel kaufen

Ich habe schon viele Leute getroffen, die glauben, das für sie perfekte Paddel zu besitzen. Viele dieser Paddler haben niemals den Luxus genossen, verschiedene Paddel auszuprobieren und zu experimenieren, um den Einfluss von Design und Größen und damit den Unterschied zwischen einem guten Paddel und einem großartigen Paddel zu verstehen. Bevor man sich für ein kommerziell gebautes Paddel entscheidet, empfehle ich, entweder zu versuchen, ein paar Paddel selbst zu bauen, um zu verstehen, welche Größe und Form zu Dir, zu Deinem Paddelstil und zu Deinem Kajak passt – oder so viele Paddel wie möglich von verschiedenen Paddlern zu borgen und herauszufinden, wie sie sich für Dich anfühlen und wofür Du sie einsetzen kannst. Einfach ein Grönlandpaddel aus einem Ladenregal oder von einer Webseite zu nehmen und zu erwarten, dass es großartig ist, wird nicht dafür sorgen, dass Ihr beide langfristig glücklich miteinander werdet.

Die Qualität kommerzieller Paddel – gleich ob Holz oder Carbon – variiert merklich. Einige Hersteller sind stolz darauf, Kunstwerke zu kreieren. Einige Schreiner sind sehr gut darin, die richtigen Holzbohlen auszuwählen, ein wesentlicher Teil für das Bauen eines Holzpaddels. Einige sind preiswert, andere sind teuer. Einige bieten eine große Bandbreite von Längen, andere haben nur wenige Größen im Angebot. Jedes Paddel ist ein Kompromiss. Frag Deine Paddelfreunde und in Online-Netzwerken nach Empfehlungen, lies Online-Bewertungen (ich habe viele veröffentlicht). Es gibt da draußen einige mit wirklichem handwerklichen Können, die in der Lage sind, sehr spezielle Paddel zu bauen – vielleicht ja sogar Dein perfektes Paddel.

Christopher Crowhurst, ein in Minnesota / USA lebender Exil-Brite, ist leicht besessen vom Grönland-Rollen. Im Jahr 2010 hat er Qajaq Rolls gegründet, ein philanthropisches Unternehmen, dass die Weitergabe der traditionellen Kunst des Grönland-Rollens im Kajak (qajaq) fördert. Christopher hat Videos, Schaubilder und schriftliche Anleitungen entwickelt, um Paddlern dabei zu helfen, traditionelle Grönlandrollen zu lernen. 2010 hat er im Selbstverlag Rolling with Sticks veröffentlicht, ein wasserfestes Handbuch über fünfundzwanzig Grönlandrollen, und dies um eine Begleit-DVD ergänzt. 2011 nutzte er das Unternehmen, um ein Programm kostenfreier Rollen-Workshops zu etablieren und zu finanzieren. Diese bieten Praxistraining für Paddler, die ihre Grönland-Rollen weiterentwickeln wollen.Christopher kann über seinen Webseite http://qajaqrolls.com kontaktiert werden.