Himmelsrichtungen sind ja relativ: was für Berliner im Norden liegt und Ostsee heißt, ist für Dänen der Süden. Die Dänische Südsee – also die Region zwischen Fyn und Ærø – ist ein ideales Gebiet für fortgeschrittene Paddler, die erste Seekajakerfahrung sammeln wollen. Von Deutschland aus, ist beispielsweise Faaborg mit dem Auto und den Kajaks auf dem Dach gut zu erreichen. Von dort aus kann man bequem Inselhopping nach Lust, Laune und verfügbarer Zeit betreiben. Die zahlreichen Inseln des südfünischen Inselmeers können meist bequem auf Sicht gefahren werden. Dennoch empfiehlt sich an Kompass an Bord, unter anderem um dem ein oder anderen Vogelschutzgebiet auszuweichen. Diese und die freien Übernachtungsplätze sind in einer vor Ort oder im Internet erhältlichen Freizeitkarte eingezeichnet, auf der sich beispielsweise auch Wanderungen als Ausgleichsprogramm finden. Jede Insel hat ihren eigenen Charme von viel Natur mit verträumten Fachwerkdörfern bis zu Svendborg und Marstal – zwei Städtchen mit langer, dänischer Seefahrertradition – findet sich für jeden Geschmack etwas. Leseempfehlung für unterwegs: Carsten Jensen, „Wir Ertrunkenen“ – eine dänische Familiensaga über eine Seefahrerfamilie aus Marstal mit hohem Wiedererkennungsfaktor von Region und deutscher Ostseeküste.
Autor: Mario Rehse
Rock’N’Roll!
Das erste Mal in einem Kajak saß ich in einer Schwimmhalle in Osnabrück. Das Ganze ist fast fünfzehn Jahre her und ich wollte die Eskimorolle lernen. Irgendwie fanden zwei Freunde und ich das Flugblatt des Unisports in der Mensa lustig und wir wollten uns mal wirklich wichtige Fähigkeiten aneignen – studium generale und so. Ruckzuck hatte ich den Dreh raus und nach dem zweiten Termin konnte ich rollen. Zwei Jahre später im Schwedenurlaub war dann Angeben angesagt. Schnell in den Neoprenanzug und raus auf den See. Noch schneller war ich wieder auf dem Boden der Tatsachen. Die Erfolgsquote lag bei unter fünf Prozent und das Wasser des Sees war einmal komplett durch meine Nasennebenhöhlen gefiltert. Immerhin gibt es noch ein Beweisfoto (zumindest vom Reinfallen und davon, dass ich am Hinterkopf mal Haare hatte).
Als ich Jahre später begonnen habe, regelmäßig zu paddeln, war der Weg zur Rolle lang und steinig. In seinem Blog hat Gero dazu mal einen schönen Artikel geschrieben. Ähnlich lief es bei mir. Trotz stundenlanger Versuche im Nichtschwimmerbecken von Lindow und viel Geduld (zumindest von Gero) wollte der Knoten nicht platzen. Bei meinen Versuchen auf dem See war durchgehend Catharinas Bootsspitze zur Eskimorettung notwendig. Den entscheidenden Durchbruch brachten knapp fünf Minuten mit Silke – die Grundlagen waren längst verinnerlicht, aber der Grobmotoriker in meinem Kajak konnte sie nicht zusammensetzen. Statt irgendwelcher Bogenschlagsversuche mit oder ohne Paddelfloat, ermutigte mich Silke, mein Grönlandpaddel im rechten Winkel zu halten – sie hielt die andere Seite. Im Ergebnis sei das nichts anderes als die Eskimorettung, die ja bereits bestens funktionierte. Das klappte sehr gut – auch als sie das Paddel bei der nächsten Rolle losließ… und beim nächsten Dutzend Hangrollen.
Nachdem die erste Rolle erstmal halbwegs sicher saß, war die Weiterentwicklung eine Frage von Zeit und Geduld. Die Übertragung auf die „schlechte“ Seite ging nicht von heute auf morgen. Vorteil war aber die Sicherheit, auf der Schoko-Seite sicher hochrollen zu können. So endeten Fehlversuche nicht zwangsläufig mit einem nassen Ausstieg, sondern mit einem tiefen Atemzug auf der guten Seite. Die Feuerprobe bestand ich in der Brandung vor Wangerooge mit einer Rolle, die nicht auf Ansage erfolgte, sondern in einer brechenden Welle, die mich schlicht umwarf. Seitdem arbeite ich kontinuierlich daran, weniger Kraft einzusetzen und das Paddel auch mal wegzulassen. Schwimmhallen sind daher im Winter weiterhin ein beliebtes Paddelrevier. Einer der Freunde vom Rollenkurs in Osnabrück behauptet seit Jahren, er könnte weiterhin aus dem Stand rollen. Demnächst gebe ich ihm die Gelegenheit zum Versuch.
Die perfekte Welle
Wenn ich auf Touren abends im Zelt liege, beschäftige ich mich ja gern mit Operatorenrechnung, numerischer Mathematik und Approximationstheorie. Diese Leidenschaft teilt Muchtarbai Otelbajew. Da er offenbar weniger Zeit in seinem Kajak verschwendet, hat er vor mir eines der Milleniums-Probleme der Mathematik gelöst. Mit einer allgemeinen Lösung der Navier-Stokes-Gleichungen will er die Entwicklung von Wellen mathematisch prognostizieren können. Das Preisgeld von einer Million Dollar ist damit für mich einstweilen futsch.
Bleibt also nur, sich seichteren Gebieten der Wellenforschung zu widmen. Als Einstieg in das Forschungsfeld hat sich das Buch „Monsterwellen“ von Susan Casey bewährt. Die Autorin begibt sich darin auf eine unterhaltsame Entdeckungsreise zu Klimaforschern, Schiffsversicherern und immer wieder Surfern. Der Leser erfährt, warum Standup-Paddler bei den Wellenreitern ziemlich unbeliebt sind, und wird Zeuge zahlreicher Obzessionen. Besagte Surfer haben es sich nämlich zur Lebensaufgabe gemacht, 30-Meter-Wellen zu reiten – ganz ohne Kajak wohlgemerkt. Auch dafür winkt ein ansehnliches Preisgeld. Bei der Jagd nach diesen Wellen entwickeln sie eine ähnliche Beziehung zum Wasser wie Captain Ahab zum weißen Wal. Für Freunde bewegter Bilder hat die BBC das Thema Monsterwellen ebenfalls aufbereitet – allerdings gänzlich ohne Surfer.
Eher theoretisch begegnet James Trefil dem Thema. In seiner Abhandlung „Physik im Strandkorb“ liefert er zu 14 Oberthemen Erklärungen – beispielsweise für die Entstehung von Gezeiten und das Verhalten der Brandung. Ihm gelingt spielend, den Jungforscher auch über den Tellerand des eigenen Gebietes hinaus zu begeistern – etwa für die Statik von Sandburgen. Manchmal geraten seine Ausführungen allerdings etwas langatmig, eignen sich dann aber perfekt, das ein oder andere Nickerchen am Strand einzuleiten.
Wir woll’n die Surfbären seh’n!
Es ist vierter Januar, höchste Zeit für Salzwasser unter dem Kiel. Angesagt ist Windstärke 4 aus Südwest, auffrischend und im Laufe des Tages auf Südost drehend. Wir haben uns daher am Vorabend nicht für die klassische Route der alljährlichen Eisbärentour von Travemünde nach Wismar entschieden, da die letzten Kilometer – insbesondere die Querung der Wohlenberger Wiek – bei dem Wind zu anstrengend erscheinen. Vielmehr wollen wir es uns leicht machen und mit dem Wind im Rücken von Wismar aus nach Rerik paddeln. Nebeneffekt: zwei Stunden mehr Schlaf.
Los geht es also kurz nach neun Uhr. Der Hafen von Wismar verströmt in der aufgehenden Sonne eine gehörige Portion Industrieromantik. Wir halten auf die Insel Poel zu und kommen bei milden Temperaturen und angenehmem Sonnenschein ganz erwartungsgemäß aus dem Surfen gar nicht mehr raus. Die Wellen schieben uns plangemäß mit ordentlichem Tempo genau auf die Brücke zwischen Poel und Festland. Nachdem Poel und die ein oder andere flache Stelle passiert sind, hoffen wir an der Seeseite der Halbinsel Wustrow auf weitere Surfwellen.
Dort erwarten uns aber nur Dünungswellen, bei denen ich mich schon sehr anstrengen muss, will ich sie erwischen. Einmal geschafft, rollt die Welle auch viel zu schnell ohne mein Seekajak weiter. Nichtsdestotrotz kommen wir flott voran und Kirchturm nebst Seebrücke von Rerik schnell in Sicht. Nach gut vier Stunden knirscht zum ersten Mal in diesem Jahr der Ostseestrand unter meinem Boot. Herrlich.
Auf ein Neues!
Am Neujahrsmorgen vor Sonnenaufgang ins Kajak steigen – bei null Grad Luft- und drei Grad Wassertemperatur – klingt für viele Paddler nach ziemlichem Unsinn. Vom gemeinen Nichtpaddler gar nicht erst zu reden. Wenn man diese Denkhürde aber erst einmal übersprungen hat, wird man mit einer grandiosen Tour in den ersten Sonnenstrahlen des neuen Jahres belohnt. Und wenn alles glatt läuft, gibt es auch noch eine große Portion Rührei sowie ein Jahr lang unbezahlbaren Ruhm.
Nach dem in mehrfacher Hinsicht misslungenen Versuch vom letzten Jahr sollte auch das Jahr 2014 mit einem sympathischen Wettbewerb beginnen: demjenigen, der mit einem Paddel- oder Ruderboot als erster im neuen Jahr beim „Gasthaus zum Weißen Schwan“ aufschlägt, winken gebratene Eier auf’s Haus und ein Ehrenplatz auf einer Tafel an der Wand. Das Unterfangen wird von den Kombattanten kreativerweise „Eierfahrt“ genannt. Die grundlegende Taktik in Kürze: wenn die Havel nicht zugefroren ist, ist man am 2. Januar in der Regel zu spät. Auch allzu lange nach Öffnung des Schwans sollte man nicht ankommen. Paddelt man – wie die vier diesjährigen TKVler – ab Tegel, hat man knapp 17 km vor sich und muss dementsprechend früh losfahren.
Mussten wir uns im letzten Jahr noch den Rückwärtsfahrern vom Ruderverein Birkenwerder geschlagen geben, setzen wir in diesem Jahr zum fulminanten Rückschlag an. Als wir den weißen Schwan erreichen, sind wir sowas von die ersten Gäste. Mit einem zu einfachen Sieg geben wir uns nach der letztjährigen Schmach natürlich nicht zufrieden und beschließen den Ruderern entgegen zu paddeln. Als wir sie um die Kurve kommen sehen, drehen wir, setzen zum Sprint an… Der Rest ist Geschichte.
Beim gemeinsamen Scherzen am Bootssteg über unseren Triumph und mögliche Taktiken für das nächste Jahr dämmert es so manchem, dass heute möglicherweise ein Wettrüsten begonnen wurde, das Potenzial für so manche Skurrilität hat. Aber was tut man nicht alles für eine große Portion Rührei, ein Jahr lang Ruhm und grummelnde Ruderer.
Ein frohes neues Jahr!
Neujahrsvorsätze
Im Herbst auf der „Alten Fahrt“
Die Mecklenburger Seenplatte ist ein herrliches Paddelrevier – vor allem, wenn man es sich nicht mit Motorbooten oder Horden anderer Touristen teilen muss. Eine ausgezeichnete Gelegenheit dafür bietet die herbstliche Tour des TKV, die seit ein paar Jahren Mitte November auf der „Alten Fahrt“ stattfindet. Das bedeutet zunächst, dass der Wecker wieder mal sehr früh klingelt, eine längere Autofahrt bevorsteht und alle Teilnehmer gut gelaunt in Vipperow in die Trockenanzüge steigen.
Der frühe Vogel wird mit einem 35 km langen Rundkurs belohnt, der im Herbst ein beeindruckendes Naturerlebnis bietet. Von Vipperow aus geht es nördlich auf die Müritz, die sich regelmäßig in dichten Nebel hüllt. Im Bolter Kanal beginnt die eigentliche „Alte Fahrt„, ein Abschnitt der Seenkette, der von der Schifffahrt nicht mehr genutzt wird und konsequenterweise in weiten Teilen für den Motorbootverkehr gesperrt ist. An einem kühlen Novembermorgen ist dort auch sonst niemand, sodass die Ruhe perfekt ist. Das Glück, dass in Granzow die Mittagspause durch ein wärmendes Lagerfeuer gekrönt wird, hat man zugegebenermaßen nicht immer. Der Schleusenwärter in Mirow ist allerdings stets gern bereit, den Paddlern in dieser Jahreszeit die Umtragung zu ersparen. Zurück geht es flott und gegen die einbrechende Dunkelheit anpaddelnd über den Müritz-Havel-Kanal nach Vipperow. Auf der Heimfahrt sind sich Jahr für Jahr alle Teilnehmer einig, dass dies eine ganz besondere Fahrt ist.
Kein Nebel, viel Oder
Verbandsfahrten muss man mögen. Bei solchen mit jahrelanger Tradition hilft es, von Anfang an dabei gewesen zu sein. Die Nebel-Oder-Fahrt veranstaltete die SG Aufbau Eisenhüttenstadt 2013 zum 38. mal. Die zweitägige Fahrt führt auf der Oder von Eisenhüttenstadt über Bleyen nach Hohenwutzen. Links Brandenburg, rechts Polen ist die herbstliche Landschaft ein großer Genuss. Großer Nachteil ist der enorme logistische Aufwand am An- und Abreisetag. Von Berlin aus muss man mit eigentlicher Fahrt und Shuttle zwischen Start und Ziel fünf Stunden einplanen. In denen käme man auch bis nach Neuharlingersiel – und bis zur Ostsee allemal.
Langeweile in kanadischen Nationalparks
Weder in Jasper noch in Banff gibt es Wale. Kein Salzwasser. Nicht mal Seelöwen. Das heißt, man muss die Zeit irgendwie anders herum bekommen. Zum Glück hatten wir genug zu Lesen dabei.
Tofino Seakayaking
Wichtigste Eigenschaft von kleinen Touristenorten rund um den Globus scheint zu sein, dass es vier bis fünf standardisierte Angebote für Tagesausflüge und -aktivitäten gibt, aus denen der Katalog jedes Anbieters vor Ort besteht. In Tofino, an der Westküste Vancouver Islands, sind dies Whale- und Bearwatching, eine Fahrt zu den heißen Quellen der Region und eine Kajaktour zu Inseln in der näheren Umgebung. Oder wie es ein anderer Gast in unserem Hostel ausdrückte: „Alles in diesem Ort ist so gestaltet, dass Du schnellstmöglich von Deinem Geld getrennt wirst.“ Daneben ist Tofino aber ein großartiges Städtchen, in dem einen der Mix aus beeindruckender Natur und coolem Surferstyle in seinen Bann zieht.
Wir haben uns für eine dieser geführten Kajaktouren auf der Landinnenseite entschieden, da der Preisaufschlag zur Leihe der Kajaks für eine Tour auf eigene Faust nicht die Welt betrug und wir guter Dinge waren, so um die Tidenplanung herumzukommen und ein wenig mehr über die Gegend zu erfahren. Diese Hoffnung hat sich mehr als bestätigt. Unser Tourguide von Tofino Seakayaking war Feuer und Flamme für die 1984er Umweltschutzbewegung, die auf Meares Island bei Tofino ihren Ursprung hatte. Seine Naturverbundenheit gab uns zudem die Gelegenheit, mehr über die Tier- und Pflanzenwelt der Region zu erfahren, die wir bei unserer eigenen Tour im Norden von Vanvouver Island nicht immer hundertprozentig zuordnen konnten.
Zudem habe ich noch Tourenideen für die Gegend bekommen, falls wir mal wieder in der Gegend sind und mehr Zeit mitgebracht haben:
- Eine längere Mehrtagestour kann durch den Clayoquot Sound rund Meares Island gepaddelt werden. Unterwegs gibt es Dörfer der First Nations, verschiedene Trails durch den Regenwald und heiße Quellen als Rahmenprogramm.
- Auch die Broken Islands wurden uns mehrfach ans Herz gelegt, weil man je nach Wetterlage auf die offene See oder in geschützte Inselregionen paddeln kann.
Von beiden Regionen gibt schöne Karten mit eingezeichneten Biwakplätzen und den übrigen touristischen Highlights von WaveLength, die man vor Ort oder online beziehen kann.